Alles nur Tarnung

Selbstgespräche mit einem Hund

Cocolumne Von

Wissen Sie noch, als Sie das erste Mal meinten, dass ein Mensch auf der Straße laut Selbstgespräche führe, der in Wirklichkeit per In-Ear-Kopfhörer telefonierte? Sicher dachten Sie auch erst, das sei ein Verrückter. Doch Selbstgespräche sind nicht unbedingt ein Anzeichen von Wahn. Sie können nützlich sein, um die eigenen Gedanken zu strukturieren. Von Psychologen und Psychiatern werden sie durchaus geschätzt. Als krankhaft gelten sie erst, sagen diese Psychologen und Psychiater, wenn man sich dabei einbildet, mit jemand anderem zu reden. So wie beim Gebet also. Irre! Oder wie beim Hund. Auch ein Hund ist natürlich so wenig wie Gott und deutlich weniger noch als Alexa und Siri ein vollwertiger Gesprächsteilnehmer, doch dass er uns zuhört, und dass er mit uns kommuniziert, das lässt sich nicht bestreiten.

Wir Herrchen und Frauchen dieser Welt sind daher Selbstgespräche-Führer, wir reden mit einem Tier so selbstverständlich wie mit Alexa. Nicht, weil wir glauben würden, unser Gegenüber würde alles verstehen und vernünftig auf uns reagieren, aber eben doch, weil wir glauben, dass es einen Unterschied macht, ob wir reden oder nicht.

Aber geht es dabei wirklich um den Hund oder gibt er uns nicht einfach ein perfektes Alibi für unser absonderliches Verhalten? Ich jedenfalls habe bemerkt, dass ich Selbstgespräche als Gespräch mit dem Hund tarne. Ich weiß gar nicht, was davon verrückter ist, aber es fällt mir auf, wenn ich in der Wohnung mit dem Hund spreche: »So, was machen wir denn jetzt?«, »Na, was meinst du, sollen wir gleich mal rausgehen?« und dann feststelle, dass Coco gar nicht da ist, sondern in einem anderen Zimmer friedlich ratzt. Dann denke ich, oh zum Glück hat mich jetzt niemand gehört, man würde mich für einen verrückten In-Ear-Kopfhörer-Telefonierer halten. Selbstgespräche sind gesellschaftlich schlecht angesehen, aber mit einem Hund zu reden oder mit Alexa oder Gott oder mit einem imaginierten Leser oder einer Leserin einer Kolumne, an der man grade schreibt – das gilt nicht als Selbstgespräch. Und tatsächlich: Ich glaube, dass es Coco gefällt, wenn ich mit ihr spreche, egal was ich dabei sage, es beruhigt sie. Und mich ja auch. Es hat also durchaus eine Wirkung.

Und sollte man nicht ohnehin zumindest ab und zu auf die eigene »innere Stimme« hören? Ist es nicht sogar so, dass das Aussprechen oder das sprachliche Formulieren der Gedanken uns erst zur Selbstreflexion befähigt? Macht nicht am Ende genau das den Unterschied zum Tier aus? Besteht nicht die Einzigartigkeit des Menschen gerade in der Fähigkeit zum Selbstgespräch? Ich glaube ja. Doch wenn man dann den Hund mürrisch leise vor sich hinwuffen und grummeln hört, weil er unzufrieden ist, dass man ihn in sein Körbchen geschickt hat, dann ist man sich auch wieder nicht ganz sicher. Oder was meinen Sie? Hallo? Ja, Sie. Ist da jemand? Haaallo?