Den großen Auftritt in der Öffentlichkeit schätzt Shou Zi Chew nicht. Im Silicon Valley sind die Leiter großer Firmen oft prominent, so wie Mark Zuckerberg, der meist in einem Atemzug mit Facebook genannt wird. Der Singapurer Chew hingegen hatte sich aus dem Rampenlicht herausgehalten, seit er vor zwei Jahren Geschäftsführer von Tiktok wurde, bis er zuletzt in einer weltweiten Charmeoffensive versuchen musste, Regierungen zu überzeugen, dass die Kurzvideo-Plattform nicht von der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) beeinflusst werde.
Ende März erschien Chew vor dem US-Kongress, als einziger Zeuge in einer Anhörung über die Gefahren von Tiktok. Die App gehört dem chinesischen Internetgiganten Byte Dance, dessen firmeninternes KPCh-Komitee gemeinsam die Reden des »Überragenden Führers« Xi Jinping studiert. Die App soll Falschmeldungen über die vergangene US-Präsidentschaftswahl, den Ukraine-Krieg, über Covid-19-Impfstoffe und Rezepte für chemische Abtreibungsmittel sowie Verschwörungstheorien, Geschichtsrevisionismus und israelbezogenem Antisemitismus verbreiten. Informationen zu den Umerziehungslagern in Xinjiang und der Verfolgung der Uiguren werden entfernt.
In der Türkei ist auf Tiktok die Nennung »nichtislamischer Götter« verboten, je nach Regime werden andere Dinge gefiltert. Über drei Milliarden Mal wurde die App mittlerweile in aller Welt heruntergeladen. US-Parlamentarier beider politischen Lager warfen Chew vor, Tiktok betreibe Datenspionage und sei eine Gefahr für die geistige Gesundheit von Jugendlichen. Fünfeinhalb Stunden lang versuchte er, ihre Sorgen zu beschwichtigen. Er räumte ein, dass Mitarbeiter in China Zugriff auf Daten von US-Kunden und Journalisten ausspioniert hätten. »Das hätte nicht passieren dürfen«, sagte Chew.
Der 40jährige ist in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Seine Eltern waren im Baugewerbe und der Buchhaltung tätig. Chew wechselte mit zwölf Jahren auf eine Eliteschule, spricht fließend Mandarin. Er war Offizier bei den Streitkräften Singapurs, studierte BWL am University College London und an der Harvard Business School. Mit Vivian Kao hat er zwei Kinder. Bei einem Praktikum bei Facebook fand Chew wohl Gefallen an der Digitalbranche. In seiner Freizeit spielt er gerne Golf und liest Bücher über theoretische Physik.
