Bei den Wahlen in Finnland wurden Rechtspopulisten und Konservative die stärksten Kräfte

Sieg der Sparsamkeit

Bei den Wahlen in Finnland verloren die Parteien der Mitte-links-Koalition die Mehrheit. Die Konservativen müssen nun entscheiden, ob sie ein Bündnis mit den Rechtspopulisten eingehen wollen.

Am 4. April wurde die finnische Fahne das erste Mal vor dem Nato-Hauptquartier in Brüssel gehisst. Trotz der langen Tradition der Neutralität war der Nato-Beitritt nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gesellschaftlich weitgehend Konsens in Finnland. Die Regierungsparteien hatten aber zwei Tage zuvor eine Niederlage bei den Parlamentswahlen hinnehmen müssen, sie profitierten weder vom erfolgreichen Abschluss der Beitrittsverhandlungen noch von der Popularität der 37jährigen Ministerpräsidentin Sanna Marin.

Diese gab am 5. April bekannt, dass sie nicht weiter als Vorsitzende der finnischen Sozialdemokraten (SDP) zur Verfügung stehe. Die Parlamentswahl hatte der konservativen Nationalen Sammlungspartei (Kok) und der rechts­populistischen Partei »Die Finnen« (PS) Stimmengewinne gebracht. Die Rechtspopulisten erzielten mit 20,1 Prozent ihr bislang bestes Wahlergebnis, die Partei liegt damit knapp hinter der Kok (20,8 Prozent), in sechs der 13 Wahldistrikte wurde sie sogar stärkste Kraft. Auch die SDP gewann Stimmen hinzu, wurde jedoch mit 19,9 Prozent nur drittstärkste Partei.

Die Mitte-links-Koalition kann nicht mehr fortgeführt werden. Ihr gehörten neben der SDP die Grünen, das Linksbündnis, die Zentrumspartei und die Schwedische Volkspartei an, welche die Interessen der Finnlandschweden vertritt. Sie haben allesamt Stimmen verloren. Es hatte immer wieder Querelen in der Koalition gegeben, insbesondere mit der Zentrumspartei, die sich als Repräsentantin der Landbe­völkerung versteht.

Im Wahlkampf ging es vor allem um die Staatsschulden. Die Staatsverschuldungsquote stieg seit 2019 von 64 auf 73 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, ein im EU-Vergleich noch moderater Wert, doch gelang es den rechten Par­teien, sich als Stimme der ökonomischen Vernunft darzustellen, die dem verschwenderischen Umgang linker Frauen mit Geld ein Ende machen würden. Jetzt stehen dem Vorsitzenden der Kok, Petteri Orpo, schwierige Koalitionsverhandlungen bevor, denn für eine Regierungsmehrheit sind mindestens drei Parteien nötig.

Im Wahlkampf ging es vor allem um die Staatsverschuldung, es gelang den rechten Parteien, sich als Stimme der ökonomischen Vernunft darzustellen.

Eine Möglichkeit für Orpo wäre es, mit der SDP zu koalieren. Marins Rückzug von der Parteispitze könnte den Weg für eher konservativ gesinnte Sozialdemokraten frei machen. Es kursieren bereits Gerüchte, dass Marin in die internationale Politik wechseln, also einen Posten beispielsweise in der EU annehmen könnte.
Orpo könnte sich aber auch für ein Bündnis mit den rechtspopulistischen »Finnen« entscheiden, obwohl es in Fragen der EU-Politik – »Die Finnen« lehnen eine stärkere Integration ab und befürworten den Austritt des Landes aus der Euro-Zone –, des Klimaschutzes und der Arbeitsmigration schwierig wäre, mit ihnen Kompromisse zu finden.

Zudem bedarf es weiterer Koalitionspartner. So könnte einer der kleinsten Parteien, der Schwedischen Volkspartei (4,3 Prozent), eine wichtige Rolle zufallen. Schwedisch ist zweite Amtssprache und die schwedischsprachige Minderheit (etwas mehr als fünf Prozent der Bevölkerung) hat das Recht auf Kommunikation mit Behörden in ihrer Muttersprache. »Die Finnen« haben in den vergangenen Jahren immer wieder die Stellung des Schwedischen beispielsweise im Schulsystem in Frage gestellt, es erscheint fraglich, ob die Schwedische Volkspartei sich an einer Koalition mit ihnen beteiligen würde.

Um überhaupt als koalitionsfähig gelten zu könne, geben die Rechtspopulisten sich gemäßigt. Jussi Halla-aho, 2012 vom Obersten Gerichtshof wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt, hat 2021 den Parteivorsitz abgegeben. Im Jahr zuvor war die Jugendorganisation der Partei neu gegründet werden, nachdem der ethnonationalis­tische, faschistische Flügel die Führung übernommen hatte. Im Europäischen Parlament haben die beiden Abgeordneten der »Finnen« Anfang April die Fraktion gewechselt-. Aus der nationalistischen Fraktion »Identität und Demokratie« mit AfD und FPÖ kehrten sie zurück in die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer, der unter anderem die polnische Regierungspartei PiS angehört. Damit gingen »Die Finnen« auch auf Distanz zur prorussischen extremen Rechten. Das könnte es Orpo leichter machen, mit ihnen zu koalieren.

Der politische Referent des Linksbündnisses, Henrik Jaakkola, analysierte im Gespräch mit der Jungle World: »Sowohl die Sammlungspartei als auch ›Die Finnen‹ wollen Milliarden an Ausgaben kürzen und für die Reichen sowie die Mittelschicht Steuererleichterungen durchsetzen. Sie haben vor den Wahlen versprochen, weder bei Gesundheitsfürsorge noch bei der Bildung zu kürzen. Wir werden bald erleben, dass dies keine realistische Gleichung ist.« Wenn die Staatsverschuldungsquote und die Steuereinnahmen sinken sollen, wären Kürzungen im Sozialbereich kaum zu vermeiden, zumindest unter einer konservativ-rechtspopulistischen Regierung.

Das Linksbündnis, eine ökologisch-sozialistische und feministische Partei, hat insbesondere in den ländlichen Regionen Stimmen und damit fünf seiner vormals 16 Parlamentssitze verloren. Nach dem Wahldebakel gewann die Partei jedoch viele neue Mitglieder. Jaakkola erläutert, was er im Fall eines rechtsgerichteten Bündnisses für die Legislaturperiode erwartet: »Es wird Kürzungen geben und ich glaube, wir werden auch im öffentlichen Sektor in den nächsten vier Jahren große Streiks erleben.«

Derweil trafen am Freitag voriger Woche das erste Mal seit dem Beitritt Nato-Kriegsschiffe in Helsinki ein, eine deutsche und eine portugiesische Fregatte, die zur Standing Nato Maritime Group 1 gehören. Ähnliche Besuche und gemeinsame Übungen hatte es bereits zuvor gegeben. »Früher waren wir Partner, jetzt sind wir Verbündete«, sagte der deutsche Konteradmiral Thorsten Marx dem finnischen Fernsehsender Yle.

Die Modalitäten der Nato-Mitgliedschaft sind indes noch nicht geklärt. Die Frage, ob Nato-Truppen anderer Länder in Finnland stationiert werden, ist heikel und dürfte bestimmen, wie heftig die Konfrontation mit Russland ausfällt. Die Stationierung von Nuklearwaffen auf dem eigenen Staatsgebiet lehnt Finnland bislang ab, aber Präsident Sauli Niinistö sagte bei den Eröffnungsfeierlichkeiten des neuen Parlaments, man werde in Zukunft auch an den Übungen und Manövern der nuklearen Abschreckung innerhalb der Nato teilnehmen müssen.