Der Austrofaschismus ermöglichte den Nationalsozialismus in Österreich erst

Im Gleichschritt, aber kultiviert

Der Austrofaschismus wurde in Österreich lange verharmlost und gerechtfertigt, das ändert sich nun langsam. Der diktatorische »Ständestaat« sollte zwar den Nationalsozialismus abwehren, ebnete ihm aber den Weg.

Ist es legitim, die österreichische Diktatur von 1933 bis 1938 als Austrofaschismus zu bezeichnen? Der Begriff ist in der Geschichtswissenschaft umstritten, ebenso die Bewertung des »Ständestaats«. Manche Konservative sehen ihn vornehmlich als Versuch, den deutschen Nationalsozialismus abzuwehren, und ehren weiterhin das Andenken des Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß, der die führende Rolle bei der Beseitigung der Demokratie spielte.

Unkritisch präsentiert wurde Dollfuß unter anderem in einem Museum in seinem Geburtshaus. Es gehört der Gemeinde Texingtal und unterstand Bürgermeister Gerhard Karner von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) – bis zu dessen Vereidigung als Innenminister Österreichs 2021. Niederösterreich, das der Fläche nach größte Bundesland, ist von Dollfuß-Gedenktafeln und -Gedächtniskapellen übersät. Erst 2012 konnte gegen Widerstände aus Teilen der ÖVP eine Rehabilitierung der Justizopfer des Austrofaschismus erstritten werden. Das Museum in Texingtal wird derzeit umgestaltet.

Der Österreichische Rundfunk (ORF) kündigte in einer Presseaussendung Anfang März einen zeitgeschichtlichen Schwerpunkt auf seinen Fernsehkanälen mit »ORF erinnert an 90. Jahrestag der Selbstausschaltung des Parlaments« an. Doch man korrigierte sich: Die Übernahme der Propagandaformel »Selbstausschaltung des Parlaments«, mit der im März 1933 die Beseitigung der Demokratie zugunsten des »Ständestaat« genannten faschistoiden Systems gerechtfertigt wurde, sei ein bloßer Irrtum gewesen. Der ORF-Sprecher Martin Biedermann entschuldigte sich auf Twitter und verwies auf die über jeden Huldigungsverdacht erhabenen Fernsehdokumentationen.

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