Auszug aus dem Nachdruck von »Heidegger und die deutsche Sprache«

Heidegger und die deutsche Sprache

»Deutsch« heißt: zum Volk gehörig. Die deutsche Sprache ist die Sprache der Eigentlichkeit, soll besonders prädestiniert dafür sein, zur Wahrheit des Denkens vorzudringen. Wohl niemand hat sich dieser Eigentlichkeit so sehr hingegeben wie der Philosoph Martin Heidegger, dessen »Heideggerei« besondere Nähe zur LTI, zur Sprache des Dritten Reichs aufweist. Der Schriftsteller Georges-Arthur Goldschmidt seziert in seinem Buch »Heidegger und die deutsche Sprache« mit besonderem Augenmerk auf den Unterschied zum Französischen das Deutsche und seine Besessenheit mit räumlichen Partikeln, denn: Wo so viel vom »Raum« die Rede ist, ist die Sehnsucht nach dem »Lebensraum« nicht fern.

Sprache und Raum
Die deutsche Sprache pointiert, in ganz anderer Weise als das Französische, ihren Zusammenhang mit dem Raum. Das Französische vermeidet, was das Deutsche herausstreicht. Hier findet alles, der genauen Stellung und den Ortswechseln entsprechend, seinen Platz. Das Deutsche hat, im Gegensatz zum Französischen, die vom Lateinischen überkommene Flexion weitgehend bewahrt. Die gesamte deutsche Grammatik, also das innere Denken der Sprache, ist, wie Leibniz erwähnt, geprägt vom Verhältnis zum Raum (im konkreten und übertragenen Sinn), der anfangs Lagerplatz, freier Raum oder Schlafstätte bedeutet und als ein mit dem englischen room verwandtes Wort vom indoeuropäischen Wort für roden (= einen freien Raum schaffen) abstammt.

Der Zusammenhang mit dem Raum wird jederzeit genau festgehalten, denn die Präpositionen, die dem gesamten System der Wörter seinen Sinn geben sollen, basieren auf räumlichen Partikeln oder Präpositionen oder adverbialen Wendungen – zum Beispiel auf, unter, über, um etc. –, die festlegen, was das jeweils verwendete Wort bedeutet. Allein mit über werden mehr als 500 Stammwörter gebildet und mehr als 1.000 mit auf. Mit aus gibt es etwa 1.200 Substantive, die zugleich auch Verben sein können, das macht insgesamt 2.400 Wörter, und so fort von Präposition zu Partikel.

Im Deutschen ist die Verortung des Denkens im Raum besonders ausgeprägt, und zwar so sehr, dass seine Begriffe gleichsam sichtbar werden. Überdies nimmt, was Freud Wortvorstellung nennt, in der philosophischen Sprache einen zentralen Platz ein: Zurückgeführt wird diese stets mehr oder weniger auf etwas Anschauliches, ein apriorisches Schema, einen Schattenriss, der sich vor dem inneren Auge abzeichnet. Heideggers Werk »Sein und Zeit« beruht in Gänze auf einem visuell unterschwelligen Aufbau, der um wenige Grundfiguren herum angelegt ist.

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