Rechte Empfindlichkeit
»Cancel Culture ist eine Machtdemonstration«, schrieb der Kolumnist Jan Fleischhauer einmal im Focus. »Wenn man andere am Auftreten oder Veröffentlichen hindern kann, nutzt man das aus.« So ein Verhalten wird allgemein Linken zugeschrieben – tatsächlich stammt der Begriff ursprünglich von Linken, die damit ihre eigene politische Kultur kritisierten.
Konservative inszenieren sich heutzutage gerne als Verteidiger der freien Rede und der nüchternen, offenen Debatte. In jüngster Zeit zeigt sich freilich immer öfter, dass das oft nur leeres Gerede ist. Das neueste Beispiel dafür, wie empfindlich Rechte auf freie Rede reagieren, ist Bahar Aslan. Auf Twitter schrieb die Dozentin an der Polizei Hochschule in Gelsenkirchen kürzlich: »Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund:innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land.«
Konservative inszenieren sich heutzutage gerne als Verteidiger der freien Rede und der nüchternen, offenen Debatte. In jüngster Zeit zeigt sich freilich immer öfter, dass das oft nur leeres Gerede ist.
Deswegen wurde ihr geplanter Lehrauftrag für das kommende Semester nun gecancelt. Zuvor hatte unter anderem der CDU Innenpolitiker und frühere Polizeikommissar Christos Katzidis gesagt, Aslans Äußerung sei »unerträglich und untragbar«, er erwarte eine strafrechtliche und eine disziplinarrechtliche Prüfung.
Nun kann man von CDU-Politikern oder von Polizeigewerkschaftlern kaum erwarten, dass sie Aslans Wortwahl gut finden. Und auch sonst kann man sich fragen, ob man Menschen, auch wenn es Nazis sind, als Dreck bezeichnen sollte. Aber was genau hat Aslan gesagt? Es gibt Rechtsextreme in den Sicherheitsbehörden, weshalb Menschen, die in deren Augen nicht wie Deutsche aussehen, der Umgang mit der Polizei oft Angst macht. Auch so formuliert hätten CDU-Politiker sicher etwas an der Aussage auszusetzen, und das sollen sie auch gerne tun – wenn sie trotz aller Evidenz darauf bestehen wollen, dass das Problem rechtsextremer und rassistischer Polizisten in Wirklichkeit doch nicht so groß sei, nur zu.
Statt ihr aber einfach zu widersprechen, wurde Aslan diffamiert und verlor ihre Stelle. Man wartet gespannt auf die nächste Fleischhauer-Kolumne, in dem das als Beispiel für hysterische cancel culture kritisiert wird.