In der Domstadt wurde erneut ein Mahnmal für den armenischen Völkermord abgeräumt

Denkmalstreit in Köln

Immer noch sperrt sich Köln gegen die Errichtung eines Mahnmals für den Völkermord an den Armeniern. Der Konflikt dauert schon seit 2018 an. Deutsch-türkische Vereine kritisieren das »Pseudo-Genozid-Mahnmal«.

Seit einigen Wochen steht eine 1,5 Meter große stählerne Stele auf einem kleinen Platz an der Hohenzollernbrücke in Köln. Der Dom, der Hauptbahnhof und das Ludwig-Museum sind nur einen Steinwurf entfernt. Das Denkmal erinnert an den zwischen 1915 und 1916 vom Osmanischen Reich begangenen Genozid an bis zu 1,5 Millionen Armeniern. Das Deutsche Reich, der wichtigste Verbündete der Osmanen während des Ersten Weltkriegs, half mit: Deutschland lieferte Waffen und Hunderte seiner Offiziere berieten die Armee von Sultan Mehmed V.

Das Deutsche Reich wurde über den Verlauf des Genozids von seinen Diplomaten informiert, intervenierte jedoch nicht. Man unterstütze in letzter Konsequenz die Haltung des osmanischen Verbündeten, der offen gesagt hatte, dass man den Krieg nutze, um die »inneren Feinde« zu bekämpfen. Damit waren vor allem die Armenier gemeint.
Das Denkmal steht Köln also gut zu Gesicht, zumal es in der Nähe eines Reiterstandbilds von Kaiser Wilhelm II. steht, der Deutschland zur Zeit des Ersten Weltkriegs regierte. Das sahen von Anfang an auch zahlreiche bekannte Kölner so: Unter anderem spendeten 2018 der mittlerweile verstor­bene Schriftsteller Doğan Akhanlı und die Journalisten Günter Wallraff und Peter Finkelgruen Geld für seine Errichtung. Seit Jahren gibt es Auseinandersetzungen über das Mahnmal. Es wurde nicht von der Stadt errichtet, sondern musste gegen diese durchgesetzt werden. 2018 wurde es von der Initiative »Völkermord erinnern« ohne Genehmigung aufgestellt, seitdem wurde das Mahnmal mehrmals von der Stadt abgeräumt.

Im April wurde es dann für die Gedenkfeier der Armenischen Gemeinde Köln anlässlich des Genozid-Gedenktags wieder aufgebaut. Dafür gab es eine vorübergehende Sondergenehmigung. Die Bezirksvertretung (BV) ­Innenstadt hatte zuvor einen Beschluss verabschiedet, dem zufolge das Mahnmal zukünftig an »prominenter Stelle« stehen solle. Den genauen Ort solle eine Findungskommission ermitteln. Bis dahin solle das Mahnmal ein Jahr lang mit einer Sondergenehmigung an einem »sicheren Ort« aufgestellt ­werden dürfen. Eine endgültige Entscheidung müsste jedoch der Stadtrat treffen.

Die Stadtverwaltung scheint jedoch andere Absichten zu haben. Den Antrag, die Sondergenehmigung zu verlängern, hat sie abgelehnt. Zur Begründung hieß es, auf der Brücke solle stattdessen ein breiter Fuß- und Radweg entstehen. Am Mittwoch vergangener Woche sollte das Mahnmal erneut ­beseitigt werden.

Doch daraus wurde nichts. Der Jungle World teilte die Stadtverwaltung mit, die Initiative »Völkermord erinnern« habe sich an das Verwaltungsgericht gewandt. »Der Stadt Köln wurde durch das Gericht eine Frist zur Erwiderung von einer Woche gesetzt. Das Verwaltungsgericht hat die Stadt gebeten, mit der Vollstreckung, d. h. dem Abräumen der Stele so lange zu warten, bis das Verwaltungsgericht über den Eil­antrag entschieden hat. Dieser Bitte wird die Stadt Köln entsprechen.«

Willi Harz von den Kölner Grünen hält den Vorgang für einen Affront. »Die Verwaltung missachtet mit dem wiederholten Abbau den politischen Willen der Bezirksvertretung«, sagt er der Jungle World. »Dass nun anscheinend ein Fuß- und Radweg, für den es noch gar keine Baugenehmigung gibt, als Abbaubegründung herhalten muss, ist unzureichend.«

»Die offizielle Begründung der Stadt für den Abbau des Denkmals ist lächerlich.« Ilias Uyar, Initiative »Völkermord erinnern«

Auf die Frage der Jungle World, ob Druck aus der deutsch-türkischen Community ein Grund für das Vorgehen gegen die kleine Stahlstele sei, antwortete die Stadtverwaltung nicht. Es gibt Gründe für diese Vermutung. In dem 2016 gegründeten Initiativforum türkischer Vereine und Verbände in Köln und Umgebung (KIT) haben sich über 50 Kölner Organisationen zusammengetan. Auf ihrer Website heißt es, hinter dem Mahnmal stehe eine »Gruppe innerhalb der Kölner armenischen Gemeinde«, die den Wunsch habe, »durch Türkenfeindlichkeit Karriere in Deutschland zu machen«. Das »Pseudo-Genozid-Mahnmal« wolle durch ein Gedenken an den »sogenannten Armenischen Völkermord« den »Hass zwischen den Gesellschaften« säen.

Mitglied beim KIT ist die nach dem NSU-Nagelbombenattentat in Köln gegründete IG Keupstraße ebenso wie Vereine des Recep Tayyip Erdoğan ­unterstehenden Religionsverbands Ditib, türkische Sozialdemokraten, der Akademikerverein »Dein Köln« und die Union Internationaler Demokraten (UID), die auf der Website noch unter ihrem alten Namen UETD aufgeführt wird. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz bezeichnet die UID in seinem aktuellen Bericht als »Vorfeld- und Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei AKP und damit die wichtigste Einflussnahmeorganisation der türkischen Diaspora-Politik in Nordrhein-Westfalen«. Es war diese UID, die Anfang Mai vor dem Kölner Dom gegen das ihrer Ansicht nach »einseitige und belastende Denkmal für den sogenannten armenischen ­Völkermord« demonstrierte.

Ilias Uyar von der Initiative »Völkermord erinnern« geht davon aus, dass das Verwaltungsgericht das Mahnmal schützen werde. »Die offizielle Begründung der Stadt für den Abbau des Denkmals ist lächerlich«, sagt er der Jungle World. Angeblich sei es ein Hindernis für einen neuen Radweg, »aber auf der anderen Seite der Hohenzollernbrücke hat die Stadt an einer vergleichbaren Stelle eine wesentlich größere Sitzbank aus Beton errichtet«. Mut macht ihm die Unterstützung, die der Verein in den vergangenen Tagen erfahren hat: »Zu einer Demonstration für den Erhalt des Denkmals kamen am Mittwoch über 200 Menschen.«

Uyar geht davon aus, dass der Platz an der Hohenzollernbrücke der dauerhafte Standort des Mahnmals bleibt. Es ist tatsächlich ein guter Ort: Jeden Tag gehen Tausende Menschen über die Brücke, um die andere Rheinseite zu erreichen. Von der Hohenzollernbrücke hat man einen beeindruckenden Blick auf den Dom und auch die zahlreichen »Liebesschlösser« sind längst zu einer Touristenattraktion geworden.