Der Oberste Gerichtshof Nepals verpflichtet die Regierung, die Ehe für alle zu legalisieren

Ein progressives Urteil

Nepals Oberster Gerichtshof hat die Regierung angewiesen, die Ehe für alle gesetzlich zu ermöglichen.

Fünf Jahre ist es her, seit sich Adhip Pokharel aus Nepal und der Deutsche Tobias Volz das Ja-Wort gegeben haben. In Deutschland, einem von derzeit 34 Ländern weltweit, in denen gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe schließen können. Dass sie zu Prominenz gelangen würden, war damals noch nicht abzusehen. Doch nun waren es diese beiden, die mit ihrer Hartnäckigkeit im Kampf für gleiche Rechte für LGBT-Personen ein Stück Geschichte mitgeschrieben haben.

Es ist indirekt ihnen zu verdanken, dass Nepals Oberster Gerichtshof, der Supreme Court (SC), Anfang Mai in einem als historisch gewerteten Urteil die Rechtmäßigkeit im Ausland geschlossener gleichgeschlechtlicher Ehen nepalesischer Staatsbürger anerkannt hat. Zugleich erteilte das Gericht der Regierung den Auftrag, nicht heterosexuelle Ehen generell zu legalisieren.

Ein simpler bürokratischer Akt brachte den Stein ins Rollen. Im Juli 2022 hatte das binationale Paar ein Visum für Volz beantragt – nicht als Tourist, sondern als Pokharels Ehepartner, was ihm ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht verschafft hätte. Die zuständigen Stellen wollten dabei nicht mitspielen und verweigerten unter Verweis auf die im Formular stehenden Begriffe »Ehemann« und »Ehefrau« die Zustimmung.

Pokharel und Volz beriefen sich bei einem zweiten Antrag im August zur Untermauerung auf ein Urteil des SC vom Oktober 2017. In diesem ging es um ein lesbisches Ehepaar, bei dem eine Partnerin aus den USA stammte. Im Rechtsstreit um ein Residenzvisum entschied der angerufene SC, dieses sei zu gewähren, sofern eine im Ausland gültige Eheschließung dokumentiert sei. Trotz dieses eigentlich klaren Präzendenzurteils wies das Innenministerium aber auch diesen Antrag ab.

Die für den Fall zuständige Kammer des SC, bestehend aus den Richtern Tanka Bahadur Moktan und Hari Prasad Phuyal, gab nun am 2. Mai nicht nur der Klage des Paars Pokharel und Volz statt. Sie forderte auch die Regierung auf, entweder ein neues Gesetz aufzulegen, welches die Ehe für alle ermöglicht, oder aber die bestehenden Gesetze dementsprechend zu ergänzen.

Mit dieser klaren Anweisung endet ein 16jähriger Rechtsstreit. Denn erste Vorstöße des SC, in Sachen Eheschließung gleiches Recht für alle zu schaffen, hat es bereits 2007 gegeben. Damals war gerade der zehnjährige Bürgerkrieg (1996 bis 2006) zwischen der maoistischen Guerilla und der monarchietreuen Armee beendet und Nepal befand sich in einer Phase des demokratischen Neubeginns. Der SC wies die Regierung damals an, ein Komitee zur Ausarbeitung von Gesetzesänderungen zu gründen, die die verfassungsmäßigen Rechte für LGBT-Personen gewährleisten. Doch die nepalesische Gesellschaft ist noch konservativ geprägt, die Reformen kamen kaum voran.

Die neue Verfassung von 2015 brachte für die LGBT-Community viele Verbesserungen, Diskriminierung ist nun ausdrücklich verboten, die Behörden verwenden geschlechtsneutrale Formulierungen und in Ausweisdokumenten kann »other« als dritte Option beim Geschlechtseintrag gewählt werden. In Südasien ist Nepal damit Vorreiter, obgleich zum Beispiel Trans-Personen noch immer große Schwierigkeiten mit den Behörden haben, ihr in Dokumenten eingetragenes Geschlecht ändern zu lassen.

Von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) und anderen Gruppen gab es ausdrückliches Lob für das progressive Gerichtsurteil. »Der Supreme Court hat erneut die Aufmerksamkeit auf die ausstehende Implementierung gerichtlicher Vorgaben zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften durch die Regierung gelenkt«, sagte Kyle Knight, langjähriger Forscher zu LGBT-Rechten bei HRW.

In Nepal ist nun die Regierung am Zug. Das Urteil könnte zudem eine gewisse Signalwirkung auf das große Nachbarland Indien haben. Auch der dortige SC beschäftigt sich mit dem Thema Gleichstellung nicht heterosexueller Paare. Das abschließende Urteil will die Kammer zwar erst nach der sommerlichen Sitzungspause verkünden. Die Anhörungen in den vergangenen Wochen, bei denen die rechtskonservative Regierung von Premierminister Narendra Modi über ihren obersten Anwalt, Solicitor General Tushar Mehta, vehement gegen eine Reform argumentierte, ließen aber bereits die Hoffnungen steigen. Denn mehrere Nachfragen und Zwischenbemerkungen des Obersten Richters Dhananjaya Y. Chandrachud und einiger Kollegen deuten darauf hin, dass im nunmehr bevölkerungsreichsten Land der Erde ebenfalls eine Reform bevorstehen könnte.