Homestory #22/23
Die gute Nachricht zuerst: Das Internet funktioniert. Die Zeit der behelfsmäßigen Handy-Hotspots ist damit vorbei, dem Normalbetrieb in den neuen Büros Ihrer Lieblingszeitung steht nichts mehr im Wege. Wir sind zwar immer noch dabei, uns dort richtig einzurichten – und uns daran zu gewöhnen, dass wir statt in typischer Kreuzberger Mischung im selben Haus mit einem Tonstudio und den netten Leuten vom Teppichhandel nun in Berlin-Mitte ansässig sind, Tür an Tür mit homöopathischen Arztpraxen und Nachbarn, die morgens im Hinterhof Yoga machen –, doch zumindest gibt es jetzt W-Lan.
Ohne Internet eine Zeitung zu machen, erscheint zumindest den jüngeren Kollektivmitgliedern völlig undenkbar. Dass die Jungle World auch schon zu einer Zeit erschienen ist, als das Fax noch die modernste Telekommunikationstechnologie war, belegt allerdings unser Archiv. Darin finden sich alle Jungle-Ausgaben von der ersten dünnen Streikausgabe bis heute. Inzwischen ist das Archiv in den neuen Büros aufgebaut und füllt dort einige Wände bis unter die Decke.
Dass die Jungle World schon zu einer Zeit erschienen ist, als das Fax noch die modernste Telekommunikationstechnologie war, belegt unser Archiv.
Blättert man ein wenig in den alten Ausgaben, beeindrucken vor allem manche Titelseiten. »Home Run für die Nato« zum Beispiel stand auf einer im Jahr 1999; als Foto abgebildet war Madeleine Albright mit Baseballschläger. Ebenfalls mit Balkan-Thematik gab es 1997 eine Titelseite mit Willy Millowitsch als Slobodan Milošević unter der Schlagzeile: »Hoppla, der Salat geht auf«. Die wurde spät nachts und nicht ganz nüchtern konzipiert, erzählt eine Kollegin, die dabei war. Zugegeben, so etwas kommt heutzutage bei uns seltener vor. Aber keine Sorge, noch hat Berlin-Mitte nicht so sehr auf uns abgefärbt, dass wir morgens vor der Arbeit Yoga machen.
Auch nicht schlecht, aber gar nicht mal so alt ist die Schlagzeile: »Wer braucht schon Leser?« Die war auf der Jubiläumsausgabe zum 20jährigen Bestehen zu lesen. »Deutschland nicht abgeschafft, den Kapitalismus nicht überwunden, den Jihad nicht verhindert, Leser verärgert, Linke gedisst, auf niemanden gehört, prekäre Arbeit vorangetrieben, nichts fürs Alter zurückgelegt, viel zu oft durchgemacht und einen in den Knast gebracht. Soll das immer so weitergehen?« stand darunter. Auf die Frage kann man antworten: Wieder knapp sechs Jahre ist es mehr oder weniger genau so weitergegangen. Und dass die Jungle World durch das Ende von Deutschland, Kapitalismus und Jihad bald überflüssig würde, ist bedauerlicherweise noch immer nicht abzusehen.
