Nach russischem Vorbild
Aleksandr Dugin ist begeistert. »Georgien ist auf dem richtigen Weg«, jubelte der ultrarechte russische Ideologe in der vergangenen Woche auf seinem Telegram-Kanal. »Wenn du Souveränität willst, musst du die fünfte Kolonne vernichten!« Der nationalistische Hardliner Dugin gilt als wichtiger Ideengeber für die imperiale Politik des russischen Regimes. Grund für seine Freude ist ein Gesetzesvorhaben in Georgien, das nach offizieller Darstellung ausländische Einflussnahme auf die Zivilgesellschaft offenlegen soll. Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte die Vorlage Anfang April überraschend ins Parlament eingebracht. Trotz spontaner Proteste Zehntausender Menschen in der Hauptstadt Tiflis, Prügelszenen im Parlament und Kritik zahlreicher Prominenter wurde der Gesetzesentwurf in der vergangenen Woche mit den Stimmen der Regierungsfraktion in der ersten von drei Lesungen angenommen.
Kritiker bezeichnen das Vorhaben als »russisches Gesetz«. Demnach müssen sich Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem Ausland erhalten, als »Vertreter der Interessen einer ausländischen Macht« registrieren. In einer ersten Version des Gesetzes, die 2023 an mehrtägigen Massenprotesten scheiterte, war noch von »ausländischen Agenten« die Rede.
Die Kennzeichnung würde Organisationen zu einer nahezu vollständigen Offenlegung ihrer Finanzen verpflichten. Werden Angaben weggelassen oder falsche Daten veröffentlicht, drohen Strafen von umgerechnet mehr als 9.000 Euro. Betroffen wären Umwelt- oder Demokratieprojekte, die in Georgien oft von westlichen Staaten finanziert werden, aber auch unabhängige Medien.
Kritiker beklagen, die georgische Regierung wolle die Zivilgesellschaft einschüchtern und finanziell austrocknen, sie kopiere russische Agentengesetze.
Das Gesetz solle für mehr Transparenz und Kontrolle ausländischen Einflusses sorgen, verteidigt der Georgische Traum seinen Vorstoß. Kritiker widersprechen: Die Partei wolle die Zivilgesellschaft einschüchtern und finanziell austrocknen, sie kopiere russische Agentengesetze; Parteigründer Bidsina Iwanischwili wolle sich vor der Parlamentswahl im Herbst unliebsamer Kritiker entledigen. Der ehemalige Ministerpräsident Iwanischwili ist zwar seit 2021 nicht mehr Parteivorsitzender, aber dennoch der mächtigste Mann des Georgischen Traums. Der Oligarch machte sein Vermögen in den neunziger Jahren in Russland. Viele vermuten, er handele im Interesse des Kremls.
Auch Georgiens westliche Partner üben harsche Kritik. Eine Annahme des Gesetzes gefährde Georgiens Beitritt zur Europäischen Union, warnte EU-Ratspräsident Charles Michel. Das Land im Südkaukasus hat seit vergangenen Dezember Kandidatenstatus. Eine große Mehrheit der Georgier befürwortet Umfragen zufolge den Beitritt.
Das kirgisische Gesetz ist noch restriktiver
Aber Georgien ist nicht das einzige Land, das ein derartiges »Agentengesetz« plant. Nur wenige Tage vor den Massenprotesten in Tiflis trat 2.500 Kilometer entfernt ein ähnliches Gesetz in Kraft. In Kirgistan, das bis vor wenigen Jahren als demokratischer Hoffnungsträger in Zentralasien galt, unterzeichnete der autokratisch regierende Präsident Sadyr Dschaparow am 2. April das »Gesetz über ausländische Vertreter«. Es verfolgt das gleiche Ziel wie das georgische Gesetz: Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten und vage als »politisch« definierten Aktivitäten nachgehen, müssen sich als sogenannte ausländische Vertreter registrieren.
Im Vergleich zum georgischen Gesetzesvorhaben ist die kirgisische Version jedoch noch restriktiver: Bei Verstößen können die Konten der Organisationen aufgelöst oder ihre Aktivitäten bis zu einem halben Jahr ausgesetzt werden. Im schlimmsten Fall droht ihnen die Auflösung. Auch Dschaparow argumentiert offiziell mit Transparenz: Ausgaben und Einnahmen von ausländischen Organisationen müssten endlich nachvollziehbar werden.
Vorangetrieben hatte das Gesetz die Parlamentsabgeordnete Nadira Narmatowa, die für brüske Ausfälle gegen Journalisten und zivilgesellschaftliche Organisationen bekannt ist. Narmatowa hatte bereits 2014 ein Gesetz über ausländische Agenten ins Parlament eingebracht, das jedoch am Widerstand der anderen Abgeordneten scheiterte. Narmatowas Vorschlag widerspreche der demokratischen Verfassung, hieß es seinerzeit. Zudem gefährde er die Arbeit zahlreicher Hilfsorganisationen, die überall dort einspringen, wo der kirgisische Staat sich als zu schwach erweist.
Solche Bedenken treiben Dschaparow offensichtlich nicht um. Seit seinem Machtantritt im Jahr 2020 knebelt der Populist die Presse, lässt Gegner ausweisen und baut Kirgistan zu einer Autokratie um. Davon befeuert unternahm Narmatowa im Mai 2023 einen weiteren Anlauf für ihre Gesetzesinitiative. Dass die Vorlage direkt von Moskau inspiriert ist, soll ein Kniff verschleiern: Statt von ausländischen Agenten ist nun von ausländischen »Vertretern« die Rede. Doch die Orientierung an Russland ist offensichtlich. Einen Monat zuvor hatte der Duma-Sprecher seinem kirgisischen Amtskollegen bei einem Treffen in Moskau angeboten, Erfahrungen darüber auszutauschen, wie ausländische Einmischung mit Hilfe von Gesetzen bekämpft werden könne. Wie kirgisische Medien analysierten, wurden mehr als 90 Prozent des kirgisischen Gesetzestextes direkt aus dem russischen Agentengesetz übernommen.
Moskauer Masterplan ist unwahrscheinlich
Internationale Menschenrechtsorganisationen, die Vereinten Nationen und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa protestierten gegen das kirgisische Gesetz. Der US-amerikanische Außenminister Antony Blinken warnte in einem Brief vor dem Rückzug humanitärer Organisationen aus dem Land. Die EU begnügte sich mit einem Protestschreiben ihrer Vertretung in Kirgistan. Scharfe Verurteilungen durch Brüsseler Spitzenpolitiker blieben aus. Die EU habe zu wenig unternommen, kritisierte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Kirgistans privilegierter Zugang zum EU-Binnenmarkt und ein vor der Unterzeichnung stehendes erweitertes Partnerschaftsabkommen hätten Ansatzpunkte für diplomatischen Druck sein können.
Dass hinter dem zeitlichen Zusammentreffen der Agentengesetze ein Moskauer Masterplan steht, ist unwahrscheinlich. Die Vorliebe für russisch inspirierte Gesetze hat pragmatische Gründe: Die Regierenden in Kirgistan und Georgien suchen nach Instrumenten zum Machterhalt. Russlands Agentengesetze bieten eine einfach zu kopierende Vorlage. Das hat auch das autoritär regierte Kasachstan erkannt: Im September 2023 veröffentlichte die Regierung erstmals eine Liste von Organisationen und Personen, die angeblich Gelder aus dem Ausland beziehen. Unabhängige Medien sprachen von einem Agentenregister nach russischem Vorbild. Die Zusammenstellung führte weit mehr als 240 unabhängige Medien und Organisationen auf.
Auch außerhalb des postsowjetischen Raums sind Agentengesetze ein Exportschlager: So hat Nicaragua seit 2020 mit einem Agentengesetz mehr als 200 Organisationen zerschlagen. Und in der zu Bosnien-Herzegowina gehörenden serbischen Teilrepublik Republika Srpska wird derzeit über die Verabschiedung eines Agentengesetzes nach russischer Vorlage verhandelt.
Mit seinem Agentengesetz geht das russische Regime seit 2012 gegen Andersdenkende, Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen vor. In seiner ursprünglichen Fassung wurde es ausschließlich auf Organisationen angewandt. Mit der Zeit wurde es auch auf Medien und Personen ausgeweitet. Weitere Verschärfungen gab es nach dem Beginn der vollumfänglichen Invasion der Ukraine: Mittlerweile genügt für eine Einstufung als Agent schon der Verdacht auf eine Beeinflussung aus dem Ausland, so nebulös diese auch sein möge. Zuletzt kursierte der Vorschlag, als Agenten eingestuften Personen das passive Wahlrecht zu entziehen. Aleksandr Dugin gehen die Gesetze noch nicht weit genug. »Dies ist jedoch erst der Anfang«, droht er auf Telegram: Man habe bislang nur besonders Exponierte belangt.