Wikileaks und der Polizeistaat
»Julian Assange ist kein Held und kein Journalist.« Als ehemaliger politischer Gefangener in Belarus hat Andrej Sannikow gute Gründe, dies zu schreiben. Auf der Plattform X (vormals Twitter) beschuldigte er den Ende Juni aus britischer Haft entlassenen Wikileaks-Gründer, Oppositionelle in Belarus in tödliche Gefahr gebracht zu haben. Als Wikileaks Anfang der zehner Jahre Zehntausende interne Depeschen US-amerikanischer Botschaften veröffentlichte, habe die Organisation mit der Übergabe von Informationen an die belarussischen Behörden Beihilfe zur Verfolgung und Festnahme von Regierungsgegnern geleistet.
Die Ereignisse liegen über ein Jahrzehnt zurück. Im Dezember 2010 fanden in Belarus Präsidentschaftswahlen statt, Sannikow trat als unabhängiger Kandidat gegen den autoritären Amtsinhaber Aleksandr Lukaschenko an. Nach dessen Wahlsieg mit offiziell 80 Prozent der Stimmen kam es zu Massenprotesten, unter anderem wegen des Vorwurfs des Wahlbetrugs. Die Polizei ging mit Gewalt gegen die Demonstranten vor. Hunderte wurden festgenommen, darunter sieben Präsidentschaftskandidaten, die gegen Lukaschenko angetreten waren.
Auch Sannikow landete im Gefängnis und wurde im Mai 2011 wegen der »Organisation von Massenunruhen« zu fünf Jahren Haft verurteilt. Im Jahr darauf wurde er begnadigt und ging ins Exil. Seine Verurteilung war der Kulminationspunkt einer langen Repressionskampagne, die mit allen Mitteln geführt worden war. Wenige Monate vor der Wahl war der Journalist Oleg Bebenin, Sannikows Pressesprecher und Freund, erhängt aufgefunden worden. Sannikow zufolge habe nichts auf eine Selbstmordabsicht hingedeutet. Bebenin hätte Sannikows Wahlstab anführen sollen.
Israel Schamir beschrieb in der Querfront-Online-Zeitschrift »Counterpunch« Belarus als »ruhiges osteuropäisches Land«, in dem das US-Außenministerium »Unruhen orchestriert«.
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