Kulturell codiert
Die Feindschaft gegen den jüdischen Staat, schrieb die jüdische Historikerin Shulamit Volkov Mitte der achtziger Jahre in ihrem Text »Antisemitismus und Anti-Zionismus«, sei zu einem »Erkennungszeichen« geworden, um die Zugehörigkeit »zu einem bestimmten subkulturellen Milieu« zu signalisieren. Insbesondere israelische und jüdische Linke hätten sich in dieser Frage bei einer Art »Loyalitätstest« zu bewähren.
Das gilt 40 Jahre später erneut für einen erschreckend großen Teil der Linken. Die Kufiya ist wieder ein klassisches Erkennungszeichen, und viele Linke stehen nach dem 7. Oktober an der Seite Palästinas. In den siebziger und achtziger Jahren kam nach Volkovs Einschätzung dem Antizionismus in der »Gesamtideologie« der radikalen Linken zwar nur eine »marginale Bedeutung« zu. Trotzdem habe er »in dieser Kultur eine Art Symbolcharakter angenommen«.
Antisemitismus als »kultureller Code«
Volkov lebt heutzutage als emeritierte Geschichtsprofessorin in Herzliya in Israel. Ihre Eltern waren 1933 aus Deutschland geflohen. 1942 wurde sie in Tel Aviv geboren, hat in Israel und den USA studiert und an der University of Berkeley mit einer Studie über deutsche Handwerksmeister promoviert. Zu ihren in Deutschland bekannteren Veröffentlichungen zählt die Biographie des Außenministers der Weimarer Republik, Walther Rathenau, der 1922 von einem Rechtsextremen ermordet worden war. Am häufigsten wird sie allerdings mit jener Definition zitiert, der moderne Antisemitismus sei ein »kultureller Code«.
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