Gastgeber für Jihadisten
Bei chinesischen Muslimen kann ein langer Bart ein hinreichender Grund für eine Inhaftierung sein, wenn die Behörden der Ansicht sind, hinter dem Unwillen zur Rasur stehe »extremistisches Gedankengut«.
Die zweifellos extremistischen Repräsentanten der Hamas, die in der vergangenen Woche in Peking weilten, mussten jedoch nicht befürchten, in einem Umerziehungslager zu landen. Innenpolitisch unterdrückt das chinesische Regime nicht nur islamistische Bestrebungen, sondern jegliche der strikten Parteilinie zuwiderlaufende Religionsausübung. Außenpolitisch aber hat man sich nun de facto entschieden, die Hamas zu unterstützen.
In der Erfolgsmeldung der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua vom Dienstag vergangener Woche über den vom chinesischen Außenminister Wang Yi betreuten »Versöhnungsdialog palästinensischer Fraktionen« wird die islamistische Terrororganisation nicht namentlich genannt. Der »bedeutsamste Höhepunkt« sei »die Übereinkunft, eine Interimsregierung der nationalen Versöhnung zu bilden, fokussiert auf die Nachkriegsverwaltung von Gaza«. Anwesend waren Vertreter von 14 palästinensischen Organisationen, relevant ist jedoch vor allem, dass die Fatah zustimmt, gemeinsam mit der Hamas eine Regierung zu bilden – und mehr noch, dass China dieses Vorgehen unterstützt und damit der Hamas Rückendeckung gibt.
Dass die Fatah sich formal auf eine Kooperation mit der Hamas einlässt, zeigt ihre politische Schwäche und die mangelnde Bereitschaft zu einer Distanzierung vom Terror, die für eine Zweistaatenlösung notwendig wäre.
Unmittelbare praktische Auswirkungen dürften die feierlichen Versöhnungsgesten in Peking nicht haben; ähnliche Abkommen, ausgehandelt unter Vermittlung arabischer Staaten, gab es bereits 2005, 2007, 2011 und 2017. Die Fatah wurde 2007 von der Hamas gewaltsam aus dem Gaza-Streifen vertrieben, in der Westbank ist es in letzter Instanz das israelische Militär, das die Fatah vor einem islamistischen Putsch schützt. Dass sie sich dennoch formal auf eine Kooperation mit der Hamas einlässt, zeigt ihre politische Schwäche und die mangelnde Bereitschaft zu einer Distanzierung vom Terror, die für eine Zweistaatenlösung notwendig wäre.
Die Hamas macht kein Geheimnis daraus, dass es mit ihr keine Zweistaatenlösung geben wird, und es ist auch kein Geheimnis, dass eine Regierungsbeteiligung der Hamas für Israel inakzeptabel ist. Die Absicht, eine »Interimsregierung« mit der Hamas zu bilden, lässt eine Zweistaatenlösung also in noch weitere Ferne rücken. Diese elementaren Fakten dürften dem chinesischen Regime bekannt sein, dennoch entschied man sich – Fatah und Hamas hätten sich dem ungleich mächtigeren Gastgeber schwerlich aufdrängen können –, die Initiative zu ergreifen.
China will sich als »antikoloniale« Weltmacht präsentieren
Dass eine aufstrebende Weltmacht sich in der Konfliktlösung profilieren will, ist dafür keine hinreichende Erklärung. Die diplomatische Aufwertung der Hamas verärgert nicht allein Israel. Auch konservative arabische Staaten wie Ägypten dürften nicht begeistert darüber sein, dass die islamistische Terrororganisation nun mit chinesischer Unterstützung Machtansprüche erhebt, die eine Nachkriegslösung für den Gaza-Streifen noch schwerer erreichbar machen. Offenbar will China sich als »antikoloniale« Weltmacht präsentieren, um überall dort Sympathie zu gewinnen, wo der israelische »Siedlerkolonialismus« als Hauptfeind der Menschheit gilt. Das wäre eine ideologisch-propagandistische Ausrichtung der Außenpolitik, die China bislang weitgehend vermied.
Es gibt, wie am Samstag der Tod von zwölf Kindern und Jugendlichen durch Raketenbeschuss der Hizbollah erneut zeigte, derzeit unmittelbar gefährlichere Bedrohungen für Israel. Die »internationale Gemeinschaft« begnügte sich bislang jedoch weitgehend mit Mahnungen, Israel solle auf Angriffe weniger hart reagieren, und beschwor ansonsten die Zweistaatenlösung, hielt aber Distanz zur Hamas. Nach deren diplomatischer Aufwertung durch China ist zu befürchten, dass weitere Staaten folgen werden.