Der Philosoph Ludwig Marcuse wurde vor 130 Jahren geboren

Im Einzelnen beginnt die Welt

Vor 130 Jahren wurde der Philosoph Ludwig Marcuse geboren. Bei dem Nietzsche-Experten, der vor allem Biographien schrieb und mit Max Horkheimer eine Freundschaft pflegte, stand das Individuum immer im Zentrum des Denkens. Mit Deutschland brach er nach dem Nationalsozialismus, der Studentenbewegung stand er kritisch gegenüber.

Den Gesetzen dieser Welt wollte sich Ludwig Marcuse nicht fügen, was den Schriftsteller Joseph Roth einmal in einem Brief an ihn dazu bewegte, Marcuse einen »ewigen Protestanten« zu nennen, im Sinne eines ewigen Kritikers und Miesmachers.

Daneben war Marcuse Philosoph, Essayist, Autor, Journalist und Biograph, geboren vor 130 Jahren in Berlin. Am 2. August 1971 verstarb er in Bad Wiessee – und scheint heutzutage beinahe vergessen zu sein. Kurz nach seinem Tod würdigte ihn Marcel Reich-Ranicki in einem Nachruf für die Zeit als »großen Literaten«. Überschrieben war der Text mit »Ein konservativer Anarchist«.

Anarchisch war an Marcuse wohl, dass er sich stets die linken wie rechten ideologischen Angebote der deutschen Nachkriegsgesellschaft versagte. Auch wenn »das Paradies« 1918, mit der jungen russischen Revolution und den Münchner Räten »zum Greifen nahe« war, wie Marcuse einmal euphorisch sagte, hegte er nach dem Aufstieg des Nationalsozialismus keine Hoffnung mehr auf eine emanzipierte Gesellschaft. Für diese Einsicht sah ihn die junge Achtundsechziger-Generation abschätzig als jüdischen Konservativen an.

Chronist und Biograph

Unnachgiebig kommentierte Marcuse die kulturellen und politischen Geschehnisse seiner Zeit und darf deshalb zuallererst als Chronist der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelten. 1968 veröffentlichte er schließlich die von Witz, Tragik und Selbstironie strotzende Autobiographie »Mein zwanzigstes Jahrhundert«, in der er sein rastloses Leben erzählte.

Marcuse wurde in eine Familie des aufstrebenden jüdischen Bürgertums in Berlin hineingeboren. Er studierte Philosophie und promovierte noch während des Ersten Weltkriegs mit einer Arbeit über Friedrich Nietzsche. Während seiner Berliner Studienzeit lernte er Georg Lukács kennen, den er immer wieder als seinen Lehrer in Sachen Marxismus bezeichnete, obwohl er wahrscheinlich nie sehr intensiv Karl Marx studiert hatte.

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