Raffaele Fitto von den Fratelli d’Italia könnte Vizekommissionspräsident der EU werden

Brückenbau nach rechtsaußen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat Raffaele Fitto von der postfaschistischen italienischen Partei Fratelli d’Italia als Vize­kommissionspräsidenten nominiert.

Ein Postfaschist soll Vizepräsident der EU-Kommission werden. Was vor einigen Jahren noch einen heftigen Skandal ausgelöst hätte, wird inzwischen achselzuckend hingenommen. Mit Raffaele Fitto von den italienischen Fratelli d’Italia (FdI) soll der Posten des Vizepräsidenten der Kommission zum ersten Mal an einen Vertreter einer Rechtsaußenpartei gehen.

Damit ist der cordon sanitaire – wie die »Brandmauer« in Brüssel genannt wird – endgültig Vergangenheit. Zwar haben die Konservativen von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) immer mal wieder mit Rechtsextremen im Europaparlament zusammengearbeitet und votiert, um konkrete Ziele zu erreichen, aber von den wichtigsten Schalthebeln der Macht wurden diese ferngehalten – bis jetzt.

Fittos politische Karriere kann geradezu exemplarisch für die Hinwendung der Konservativen zum rechten Rand stehen. Er ist ein enger Weggefährte Melonis, die beiden wurden 2008 unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu Ministern.

Fitto war von 2014 bis 2022 Europaabgeordneter. Er wurde zunächst über die Liste von Silvio Berlusconis Forza Italia gewählt, die der EVP angehört. Doch bereits 2015 verließ er die Partei und wechselte zur nationalkonservativen Fraktion Europäische Konservative und Reformer (EKR). 2019 schloss er sich den FdI an und wurde über deren Liste erneut ins Europaparlament gewählt. Die FdI traten im selben Jahr der EKR-Fraktion und der gleichnamigen Partei bei; Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist seit 2020 auch Parteivorsitzende der EKR.

Fittos politische Karriere kann geradezu exemplarisch für die Hinwendung der Konservativen zum rechten Rand stehen. Er ist ein enger Weggefährte Melonis, die beiden wurden 2008 unter Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu Ministern, Meloni für Jugend und Sport, Fitto für die Beziehungen der Regionen Italiens.

Milliardenschwere Fördergelder

Als Meloni 2022 Ministerpräsidentin wurde, ernannte sie Fitto zu ihrem Minister für europäische Angelegenheiten. Seine Aufgabe war es, nach der pandemiebedingten Wirtschaftskrise milliardenschwere Fördergelder – viele aus der EU – in Italien zu verteilen, mit einem Schwerpunkt auf dem armen Süden; Fitto stammt aus Apulien. Eine ähnliche Aufgabe soll er nun auf größerem Gebiet als Kommissar in Brüssel erfüllen und das Ressort für Regionalförderung und Reformen leiten. Nach dem Landwirtschaftsressort ist es das Ressort mit dem höchsten Budget im EU-Haushalt.

Warum die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihn ernennt, ist nicht ganz klar. Sie wurde dank Stimmen der Grünen und Sozialdemokraten wiedergewählt, Meloni und die FdI hatten sich gegen von der Leyen gestellt. Kaum im Amt, pfeift die Kommissionspräsidentin auf die Vorbehalte von Grünen und Sozialdemokraten und nominiert einen Postfaschisten zu ihrem Stellvertreter, der sie wohl gar nicht in ihrem Amt haben wollte. Es ist beeindruckend, wie ungerührt Konservative Rechtsextremen ohne Not Macht geben.

Wunscherfüllung für Meloni

Italien hat ein Anrecht auf einen Kommissarsposten, aber von der Leyen hätte darauf bestehen können, dass dieser aus einer anderen Partei kommt – oder zumindest darauf, den Kandidaten der FdI nicht als Vizepräsidenten und für eines der wichtigsten Ressorts zu nominieren. Dass Meloni und Fitto ihre Wünsche erfüllt bekommen, lässt darauf schließen, dass die EVP mit der EKR-Fraktion zusammenarbeiten will, wenn Gesetze und Vorhaben bei Grünen und Sozialdemokraten keine Zustimmung finden.

Neben viel Kritik gibt es auch Lob für Fitto. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bezeichnet ihn als »exzellenten Mann« und der EVP-Vorsitzende Manfred Weber (CSU) als »Brückenbauer«. 

Bevor die Kommissare ihr Amt antreten, müssen sie durch eine Anhörung im EU-Parlament. Linke, Grüne und Sozialdemokraten können das als Bühne nutzen, um hart mit Fitto ins Gericht zu gehen. Bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen muss er aber kaum befürchten, dass das Parlament seine Ernennung ablehnt – was von der Leyen zwingen würde, einen anderen Kandidaten vorzuschlagen.

Neben viel Kritik gibt es auch Lob für Fitto. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bezeichnet ihn als »exzellenten Mann« und der EVP-Vorsitzende Manfred Weber (CSU) als »Brückenbauer«. Die Brücke, die Fitto baut, führt von der bürgerlichen Mitte zur ex­tremen Rechten, und das ist wohl auch ganz in Webers Sinne. Er wirbt schon seit längerem für das, was er »italienisches Modell« nennt – eine Zusammenarbeit von konservativen und rechtsextremen Kräften auf EU-Ebene.