Riskante Liebe
Laurent Vinatier hat sich unter Dialog vermutlich etwas anders vorgestellt. Am Montag verurteilte ein Moskauer Gericht den Franzosen zu drei Jahren Haft. Der Vorwurf gegen ihn lautete, er habe die Kampfbereitschaft des Militärs betreffende Informationen eingeholt, die gegen die Sicherheitsinteressen Russlands Verwendung finden könnten, ohne sich bei den Behörden als »ausländischer Agent« zu melden. Bei Gesprächen mit drei russischen Staatsangehörigen zwischen April 2021 und August 2022 habe er sich über die Mobilmachung und die Stationierung russischer Truppen an der ukrainischen Grenze erkundigt.
Weil Vinatier, der bereits im Juni verhaftet worden war, seine Schuld sofort eingestand und auf eine ordentliche Beweisaufnahme verzichtete, fiel die Gerichtsverhandlung kurz aus. Immerhin stufte der Inlandsgeheimdienst FSB den 1976 geborenen promovierten Politologen nicht als Spion ein.
Am Schluss der Verhandlung zitierte Vinatier sogar noch einen Vers aus der Feder von Alexander Puschkin. Beeindrucken ließ sich die Richterin davon nicht.
»Ich habe keine Angst zu sagen, dass ich mich in Russland verliebt habe«, sagte Vinatier vor Gericht. Das bestätige sein persönliches Leben, denn unter anderem sei er mit einer Russin verheiratet. Er müsse für seine alten, kranken Eltern und seine Kinder Sorge tragen, die ältere Tochter habe gerade ihr Studium aufgenommen. Am Schluss zitierte er sogar noch einen Vers aus der Feder von Alexander Puschkin. Beeindrucken ließ sich die Richterin davon nicht.
Seit 2014 arbeitete Vinatier in Moskau für das in Genf ansässige Zentrum für humanitären Dialog, das sich auf Menschenrechte, Friedenssicherung und Abrüstung spezialisiert. Zuvor war er als Berater in osteuropäischen Angelegenheiten für die Nato und das Internationale Rote Kreuz tätig, eine Zeitlang unterrichtete er an einer Universität in Istanbul.
In seinen Publikationen befasste sich der Franzose mit Tschetschenien, Islamismus in Zentralasien und russischer Politik im Allgemeinen. Seine Kenntnisse im Bereich Konfliktmediation muss Vinatier in den kommenden Jahre notgedrungen in russischen Gefängnissen anwenden.