Gefährlicher als Nixon
Rudy Giuliani und Steve Bannon dürften große Hoffnungen mit ihrem am 29. Oktober erscheinenden Werk über die »Biden Crime Family« verknüpft haben. Im Untertitel wird es als »Der Plan für ihre Strafverfolgung« bezeichnet und war vermutlich als eine Art »October surprise« geplant, also ein den Wahlausgang beeinflussendes Ereignis. Doch Joe Biden ist nicht mehr Präsidentschaftskandidat und ihr Buch schon vor dem Erscheinen um 25 Prozent preisreduziert. Ohnehin kursieren die Gerüchte, dass Joe Biden angeblich ein Schwerkrimineller sei, in Maga-Kreisen schon seit Jahren. Und mittlerweile träumt man dort eher davon, die Kandidatin Kamala Harris für herbeiphantasierte Verbrechen vor Gericht zu stellen – wie man es zuvor Hillary Clinton gewünscht hatte.
Mehr Staub wirbelte dafür das Buch des 81jährigen Journalisten Bob Woodward auf, das ebenfalls mitten in der heißen Phase des Wahlkampfs lanciert wurde. Woodward, der im Jahr 1972 gemeinsam mit seinem Kollegen Carl Bernstein die Watergate-Affäre enthüllte und damit für den Rücktritt von Präsident Richard Nixon sorgte, thematisiert in seinem neuesten Buch »War«, wie die Regierung Biden und der nicht mehr im Amt befindliche Trump mit den Krisen und Kriegen der vergangenen Jahre umgingen – und im Gegensatz zu Giuliani und Bannon hat er echte Enthüllungen zu bieten.
Anders als Trump und auch Barack Obama hatte sich Joe Biden nie große Illusionen über Wladimir Putin gemacht; entsprechend alarmiert waren er und seine Berater, als sie im April 2021 über ausgedehnte russische Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze unterrichtet wurden.
Anders als Trump und auch Barack Obama hatte sich Joe Biden nie große Illusionen über Wladimir Putin gemacht; entsprechend alarmiert waren er und seine Berater, als sie im April 2021 über ausgedehnte russische Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze unterrichtet wurden. Woodward schildert, wie die Regierung Biden sich in den folgenden Monaten dafür entschied, öffentlich vor den russischen Invasionsabsichten zu warnen. Obwohl die Internationale der Putin-Freunde darauf mit Hohn und Spott reagierte, erwies sich bald, wie zutreffend die Informationen der US-Geheimdienste gewesen waren.
Ein größerer Kontrast zur Regierungszeit von Bidens Vorgänger ist kaum denkbar: Trump schwärmte immer wieder von seinen Männerfreundschaften zu Despoten wie Putin und Kim Jong-un und weigerte sich rundweg, den Inhalt seiner Gespräche mit dem russischen Präsidenten publik zu machen. Trump, so berichtet Woodward, hatte Putin zu Beginn der Covid-19-Pandemie sogar Apparate der US-Firma Abbott schicken lassen, um Covid-19-Tests auszuwerten, und das zu einem Zeitpunkt, als diese in den USA selbst knapp waren.
Devot gegenüber Putin
Selbst der ehemalige Direktor der nationalen Nachrichtendienste, Daniel Ray »Dan« Coats, der 2017 von Trump ernannt und nach diversen Konflikten mit diesem im Spätsommer 2019 per Tweet entlassen worden war, rätselt laut Woodward noch heute darüber, warum Trump während seiner Amtszeit so devot gegenüber Putin war. Coats vermutet dahinter Erpressung.
Er wolle, dass Putin »unser Land« respektiere, hatte Trump Woodward in einem Interview kurz vor der Wahl im November 2020 gesagt. Auf die Frage, was er genau respektieren sollte, gab Trump eine vielsagende Antwort: »Er hat sehr Gutes über mich gesagt. Er sagte, Trump ist brillant und er wird der neue Leader und alles das.« Warum, so Trump weiter, »sollte ich ihn zurückweisen?« Auch als er nicht mehr Präsident war, soll Trump diese innige Beziehung zu Putin aufrechterhalten haben: Woodward zufolge telefonierte Trump nach dem Ende seiner Amtszeit bis zu sieben Mal privat mit dem russischen Präsidenten.
Trump nannte die Hizbollah »sehr smart«
Ein weiteres großes Thema von »War« sind der 7. Oktober und der Krieg im Gaza-Streifen. Für Schlagzeilen sorgten Woodwards Schilderungen von Joe Bidens Konflikten mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu (»That son of a bitch, Bibi Netanyahu, he’s a bad guy. He’s a bad fucking guy«, soll Biden im Frühjahr hinter geschlossenen Türen gesagt haben).
Trump stellt sich zwar als Israels größter Freund dar und gibt der zögerlichen Haltung der Demokraten zur Islamischen Republik Iran die Schuld für den Angriff der Hamas, doch interessant sind seine Reaktionen auf die israelische Antwort auf den Terror. Im März sagte er einer israelischen Tageszeitung, dass er den Einmarsch in Gaza für einen »schweren Fehler« halte: »Ich wollte anrufen und sagen, tut es nicht. Die Bilder sind furchtbar.« Kurz nach dem 7. Oktober hatte Trump laut Woodward die Hizbollah »sehr smart« und den israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant einen Trottel genannt.
Der ehemalige Generalstabschef der US-Armee, Mark Milley, nannte Donald Trump gegenüber Woodward »einen Faschisten durch und durch«.
Woodward hält Trump für weit gefährlicher als Nixon. Der Mann, der die Nato am liebsten auflösen möchte, sei der »rücksichtsloseste und impulsivste Präsident gewesen, den Amerika je hatte«, schreibt er unter anderem. Und merkt an, dass einiger seine ehemaligen engsten Mitarbeiter dafür plädierten, Trumps oft als bloße rhetorische Übertreibungen abgetanen Äußerungen ernst zu nehmen, beispielsweise seine Andeutungen, man müsse möglicherweise das Militär gegen den »Feind im Inneren« einsetzen – zumal Trump als solche innere Feinde auch prominente Politiker der Demokraten wie Nancy Pelosi oder Adam Schiff bezeichnet.
Einige aus Trumps ehemaliger Regierung würden sich ernsthaft Sorgen machen, dass zu den ersten Amtshandlungen Trumps im Fall seiner Wiederwahl gehören könnte, Rache an denen zu nehmen, die er für Verräter hält. Dazu passt, dass Woodward zufolge Steve Bannon schon eine Liste mit den Namen derer erstellt hat, die Trump sofort der Strafverfolgung zuführen wolle, beispielsweise den pensionierten General Mark Milley, den Trump zum Generalstabschef ernannt hatte, die ehemaligen FBI-Präsidenten Andrew McCabe und James Comey, den früheren Verteidigungsminister Mark Esper und den ehemaligen Generalstaatsanwalt Bill Barr. Milleys Warnungen sind besonders eindringlich. Woodward sagte er, ihm sei mittlerweile klar, dass Trump ein »Faschist durch und durch« und »die für dieses Land gefährlichste Person« sei.
Bob Woodward: Krieg. Hanser Verlag, München 2024, 480 Seiten, 25 Euro