Das Ende des Endlossommers
Ich gehe ins Café wie andere Leute zur Arbeit. Dort kriege ich mein Leben auf die Reihe, dort schreibe ich Tagebuch. Um das ganze viele gemeinsame Leben erst mal zu fühlen. Wir können es noch nicht leben, wir müssen es erst mal fühlen.
*
Timo stockte kurz, als würde er über irgendetwas stolpern; vielleicht über das für ihn ungewohnte Ausmaß an Gefühligkeit? Dann machte er seinen Rücken gerade und las sich noch einmal durch, was er da zu Papier gebracht hatte. Es dauerte etwa fünf Sekunden, bis die Tinte getrocknet war. Timo liebte die Lebendigkeit dieses Vorgangs. Er konnte förmlich dabei zusehen, wie seine Worte diesen samtblauen Ton annahmen, der von dem Füller-Hersteller zu Recht als »königsblau« bezeichnet wurde.
Nebenbei nahm er einen Schluck Kaffee aus seiner kleinen, handlichen Tasse, als ob auch er ein Momentchen bräuchte, um zu sich zu kommen. Trinken und Schlucken beruhigte, es war beinahe egal, was man trank: »Schlucken wirkt auf das parasympathische Nervensystem«, hatte Greta ihm neulich erklärt. Und wenn sie das sagte, dann musste das stimmen. Seine beste Freundin für immer war schließlich Sängerin und kannte sich aus mit Entspannungsmethoden. Und wenn es sowieso nur um den Schluckvorgang an sich ging, dann musste man ja gar nicht so viel Alkohol trinken wie seine auf Hochprozentiges spezialisierten Freundinnen und Freunde, die er täglich zwischen moonlight und dawn in den Bars dieser Stadt traf. War es nicht viel angenehmer, eine Stunde oder mehr zu einer Tasse Cappuccino zu meditieren?
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