Jungle+ Artikel 31.10.2024
Eine Kostprobe aus dem Roman »Bravo Bar«

Das Ende des Endlossommers

Der unterbeschäftigte Musikjournalist Timo möchte sich der erfolgreichen Straßenrapperin Rachelle zu Füßen werfen. Die allerdings läuft gerade auf wackeligen Beinen durch die Berliner Parks, denn sie kann ihre Krebserkrankung im Frühstadium nur noch mit einer ­Chemotherapie heilen und fühlt sich wie auf einem Drogentrip, der ihre Schutzmauern schwinden lässt. Wie gut, dass es Greta gibt! Die Aktivistin mit den Superkräften weiß immer einen (Aus-)Weg, auch wenn dieser durch ihre eigenen Begehrenshöhen und -tiefen führt. Die Geschichte von drei Soulmates, die vor unverschämten Herausforderungen stehen und Halt in der legendären Bravo Bar in der Berliner Torstraße finden. Aus dem Anfang des Romans »Bravo Bar«.
Imprint

Ich gehe ins Café wie andere Leute zur Arbeit. Dort kriege ich mein Leben auf die Reihe, dort schreibe ich Tagebuch. Um das ganze viele gemeinsame Leben erst mal zu fühlen. Wir können es noch nicht leben, wir müssen es erst mal fühlen.

*

Timo stockte kurz, als würde er über irgendetwas stolpern; vielleicht über das für ihn ungewohnte Ausmaß an Gefühligkeit? Dann machte er seinen Rücken gerade und las sich noch einmal durch, was er da zu Papier gebracht hatte. Es dauerte etwa fünf Sekunden, bis die Tinte getrocknet war. Timo liebte die Lebendigkeit dieses Vorgangs. Er konnte förmlich dabei zusehen, wie seine Worte diesen samtblauen Ton annahmen, der von dem Füller-Hersteller zu Recht als »königsblau« bezeichnet wurde.

Nebenbei nahm er einen Schluck Kaffee aus seiner kleinen, handlichen Tasse, als ob auch er ein Momentchen bräuchte, um zu sich zu kommen. Trinken und Schlucken beruhigte, es war beinahe egal, was man trank: »Schlucken wirkt auf das parasympathische Nervensystem«, hatte Greta ihm neulich erklärt. Und wenn sie das sagte, dann musste das stimmen. Seine beste Freundin für immer war schließlich Sängerin und kannte sich aus mit Entspannungsmethoden. Und wenn es sowieso nur um den Schluckvorgang an sich ging, dann musste man ja gar nicht so viel Alkohol trinken wie seine auf Hochprozentiges spezialisierten Freundinnen und Freunde, die er täglich zwischen moonlight und dawn in den Bars dieser Stadt traf. War es nicht viel angenehmer, eine Stunde oder mehr zu einer Tasse Cappuccino zu meditieren?

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