31.10.2024
Der SPÖ könnte eine Kampf­abstimmung um den Vorsitz bevorstehen

Fußi probt den Aufstand

Der Unternehmer und Politikberater Rudi Fußi sägt am Stuhl des erst im vergangenen Jahr gewählten SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler. Er will einen Antrag auf Kampfabstimmung um den Vorsitz einreichen.

Wien. »Lieber Herbert Kickl, die Party ist bald beendet«, sagte Rudi Fußi kürzlich auf einer Pressekonferenz in Wien an den Vorsitzenden der rechtsextremen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) gerichtet. »Bisher hatten Sie als strategisches Genie keinen Gegner. Jetzt ist einer da.« Fußi will Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) werden. Derzeit sammelt er Unterschriften, um sich für den Parteivorsitz zu bewerben.

An Rudolf Fußi kommt man in Österreich schwer vorbei. Als Stammgast in Talkshows und als Influencer teilt er gerne aus. 76.000 Follower hat der 46jährige auf dem Microblogging-Dienst X, wo er mit teils polemischen Inhalten auffällt. Manchmal filmt er sich aber auch einfach nur beim Singen. Fußi hat eine tiefe Stimme, einen festen Händedruck und trägt eine kleine Silberkette mit einem Kreuz um den Hals.

Die »illegale Migration« will Fußi durch ein Partnerschaftsprogramm »innerhalb von zwei Jahren auf null« bringen.

Als Politikberater war er für die populistische one man show »Team Stronach« des österreichisch-kanadischen Industriellen Frank Stronach tätig, später für den bislang letzten sozialdemokratischen Bundeskanzler, Christian Kern (2016–2017). Seit 2023 ist Fußi wieder Mitglied der SPÖ, der er bereits von 2003 bis 2012 angehört hatte.

Als junger Mann hatte er sich in der »Jungen Volkspartei« engagiert, der Jugendorganisation der konservativen ÖVP. In der Tageszeitung Der Standard erklärte Fußi seinen Wechselkurs damit, dass es in seinem steirischen Heimatort »nichts anderes gegeben« habe als die ÖVP. Zudem habe er nach seinem Umzug nach Wien festgestellt, dass er schwul sei. Da »war das mit der ÖVP wieder vorbei«.

»Experiment Sekte ist gescheitert«

Der Linksentwicklung in der SPÖ unter Babler kann Fußi nichts abgewinnen. Das »Experiment Sekte ist gescheitert«, postete er auf X am Tag nach der Nationalratswahl, bei der die SPÖ nur 21,14 Prozent der Stimmen erreichte. Allerdings ist das lediglich ein Minus von 0,04 Prozentpunkten im Vergleich zu 2019, und bei gleichzeitig gestiegener Wahlbeteiligung (um 2,1 Punkte auf 77,7 Prozent) nicht zwingend als Verschlechterung zu werten. Noch dazu übertrug Bundespräsident Alexander Van der Bellen vergangene Woche der zweitplatzierten ÖVP den Auftrag zur Regierungsbildung, die nur mit der SPÖ zustande kommen kann – sofern die ÖVP dabei bleibt, nicht mit Kickls FPÖ zu koalieren.

Wählerwanderungen zeigen, dass die SPÖ in den Städten den Grünen Wähler abwerben konnte; die Strategie, die »Arbeiterschaft« wieder für sich zu gewinnen, muss allerdings als gescheitert betrachtet werden. Einige, die früher die SPÖ unterstützten, wählen heutzutage gar nicht oder rechtsextrem. Vor der Presse ließ Fußi wissen, dass er hier ansetzen wolle. Sein Rezept: mit »Lösungen der FPÖ den Nährboden entziehen«. Bislang habe das niemand gemacht, weil man »wie das Kaninchen vor der Schlange« sitze.

Es ergebe keinen Sinn, dass Kinder und ehrlich arbeitende Ausländer abgeschoben würden, »während Verbrecher, Schwerverbrecher, Salafisten und andere Verfassungsfeinde in Österreich ein fröhliches Leben« führten. Das müsse sich mittels Abkommen mit Drittstaaten ändern. Gegen die Maghreb-Staaten müsse die EU notfalls Wirtschaftssanktionen verhängen. Asyl- und Ausreiseanträge müssten über die Botschaften bearbeitet werden. Die »illegale Migration« will Fußi durch ein Partnerschaftsprogramm »innerhalb von zwei Jahren auf null« bringen. Es sind Sätze, bei denen zur FPÖ abgewanderte Wähler aufhorchen. Während Babler sich gegen eine Asylobergrenze stellt, will Fußi maximal 5.000 Menschen pro Jahr aufnehmen.

Meint Fußi das alles ernst? 

Funktionieren könne das aber nur, wenn man an der Bekämpfung der Fluchtursachen arbeite. Fußi argumentiert, niemand verlasse gern seine Familie und Freunde. Wenn Menschen jedoch »daheim Krieg, Unrecht und Per­spektivlosigkeit vorfinden«, sei »es kein Wunder, dass sie sich auf den Weg machen«. Dem Thema Asyl und Migration könne man nur mit »Offenheit, Liebe und klaren Regeln« begegnen, betont er.

Aber auch der Spaltung der Gesellschaft will er durch ein »radikales Vorgehen« entgegenwirken. Aus Ländern wie Russland und dem Iran finanzierte Vereine müsse man an die Kandare nehmen. Muslimfeindlichen Österreichern entgegnet Fußi, Religion sei Privatsache und habe im öffentlichen Leben nichts verloren. Den konfessionellen Religions- will er durch einen für alle verbindlichen Ethikunterricht ersetzen.

Das Parteiregelwerk besagt, dass für eine Kampfabstimmung um den Vorsitz 14.000 innerhalb eines Quartals gesammelte Unterschriften aus vier Bundesländern notwendig sind. 

Meint Fußi das alles ernst? Dem Nachrichtenmagazin Profil teilte er mit, er wolle seine Kandidatur auf keinen Fall zurückziehen. Das Parteiregelwerk besagt, dass für eine Kampfabstimmung um den Vorsitz 14.000 innerhalb eines Quartals gesammelte Unterschriften aus vier Bundesländern notwendig sind. Auf die Frage der Jungle World, ob es ihm vielleicht um einen Ministerposten gehe, schüttelt Fußi den Kopf. Nicht nur sei er »ein ernsthafter Kandidat, sondern jemand, der diese Partei aus ihrer tiefsten Krise führen« könne.

Am Freitag vergangener Woche meldete die Kronen-Zeitung einen neuen Zwischenstand: 7.300 Unterschriften seien bislang eingegangen. Ob es sich allerdings um gültige Formulare von Parteimitgliedern handelt, kann aus Datenschutzgründen erst von einer Wahlkommission im Dezember geprüft werden. Bis dahin macht Fußi weiter. Zuletzt forderte er sogar den Rücktritt der »sichtlich überforderten und ungeeigneten« Bundesgeschäftsführung – in Reaktion auf ein Schreiben, in dem diese ihre Zweifel darlegte, dass der Zeitungsbericht die Realität widerspiegele.