Der analoge Mann
»So viel Farbe nimmst du für den Scheiß?« sagt Julia leicht genervt mit Blick auf meine Palette. »Natürlich. Ich verbrauche die ja auch«, antworte ich.
Wir malen zusammen in der Küche. Eigentlich ganz einträchtig und gemütlich. »Sieht doch schlimm aus, die dicke Schicht Farbe! So viel Opernrosa habe ich mir noch nie auf die Palette gemacht«, legt Julia nach.
Julia ist meine Hauptinspirationsquelle. Sie ist meine Muse, meine Texterin, meine erste Leserin und Lektorin.
Ich nehme immer Julias Farben, weil sie aber auch immer mit neuem Kunstmaterial ankommt. Zuletzt Acrylgouache, Caran-d’Ache-Buntstifte und Neocolor-II-Wachsmalstifte. »Wart’s mal ab. Das wird noch schön«, antworte ich. »Du bist’n Klauer!« meint Julia.
Sie hat recht. Ich klaue, wo ich kann. Ich muss ja auch jede Woche irgendwas abliefern. Die nächste Deadline steht immer bevor, da nehme ich die Inspiration, wo ich sie finde.
Und Julia ist eben meine Hauptinspirationsquelle. Sie ist meine Muse, meine Texterin, meine erste Leserin und Lektorin. Vor 25 Jahren schrieb sie bereits einen wöchentlichen Comicstrip, den ich zeichnete und der in der Berliner Zeitung lief.
Wenn sie beruflich nicht immer viel erfolgreicher gewesen wäre, wäre es eine elende Fünfziger-Jahre-Beziehung. Und so klaue ich, wo ich kann. Male mit Julias Opernrosa und ihren geliebten Nummer 70 von Caran d’Ache. Den besten Buntstiften der Welt.