Vom Hass zur Tat
Wrocław. Wird faschistische Bedrohung mit Zionismus gleichgesetzt, ist unschwer zu erraten, welches Weltbild dem zugrunde liegt. Dass sich linker Antisemitismus immer häufiger nicht nur verbal äußert, zeigte sich jüngst im polnischen Wrocław (Breslau). Dort betreibt die Gruppe OCSK Postój (Halteplatz) ein Kultur- und Sozialzentrum, das sich offen gegen Antisemitismus stellt und deshalb bereits in der Vergangenheit Boykottaufrufen von linksradikalen Gruppen ausgesetzt war.
In der Nacht auf den 13. Oktober hat eine Gruppe Maskierter die »Gallery on the Palisade« verwüstet, eine Freiluftgalerie mit Werken lokaler Künstler. Sie zerstörten außerdem ein Plakat von Künstlern gegen Antisemitismus, das auch auf die Gefahr faschistischer Tendenzen hinwies. Stattdessen wurde dort ein großes Schild mit der Aufschrift »Zionisten« und dem Symbol der Anarchie angebracht.
»Der Angriff ist der Höhepunkt einer jahrelangen Hasskampagne gegen uns, weil wir uns gegen Antisemitismus und für die Solidarität mit israelischen zivilen Opfern einsetzen, obwohl wir die gleiche Solidarität mit palästinensischen zivilen Opfern bekunden.« So heißt es in einer Erklärung von Postój zu den Vorkommnissen. »Offenbar war dies für sie Grund genug, uns anzugreifen.« Unter den zerstörten Werken befindet sich auch ein Gemälde, das polnische Juden aus der Vorkriegszeit darstellt. Den Schriftzug »Zionisten« wertet die Gruppe als eindeutigen Hinweis auf das Motiv für die Zerstörung. Zudem erinnere er an die Ereignisse von 1968, als die realsozialistischen Machthaber Juden aus Polen vertrieben unter dem Motto »Wir werden die Partei von Zionisten säubern«.
»Der Angriff auf uns ist der Höhepunkt einer jahrelangen Hasskampagne.« OCSK Postój, Wrocław
Am Vorabend des Angriffs hielten einige Mitglieder des Postój-Kollektivs im Wohn- und Kulturprojekt »B12« in Leipzig einen Vortrag über Antisemitismus und die linke Bewegung in Polen. Dort gab es Solidaritätsbekundungen auf einer Demonstration gegen Antisemitismus, in Polen hingegen erwartete die Gruppe eine regelrechte Hasskampagne. Linke und autoritäre Kommunisten, aber auch einige Künstler und Gewerkschafter begrüßten den antisemitischen Angriff. Einige riefen sogar dazu auf, den Ort niederzubrennen und weitere Anschläge zu verüben. »Scheiß auf die Juden«, war als Kommentar unter einem Beitrag von Postój zu lesen.
Wer sich offen gegen Antisemitismus positioniert, macht überall im Land ähnliche Erfahrungen. Treffen mit linken jüdischen Autoren werden von Antisemiten gestört, die in den Farben Palästinas auftreten. Der Philosoph und Schriftsteller Jan Hartman wurde bei einer Veranstaltung in Wrocław, bei der es um Philosophie und nicht um Israel ging, wiederholt als »Goebbels der Hasbara« bezeichnet. Hasbara, das hebräische Wort für Erklärung, steht für das Bestreben, durch Öffentlichkeitsarbeit ein positives Bild Israels und seiner Politik zu verbreiten.
Lobbyarbeit für die Hamas
Zuzanna Hertzberg, bildende Künstlerin und Mitgründerin des Jüdischen Antifaschistischen Blocks, der sich alljährlich am 11. November an der Organisation einer antifaschistischen Demonstration beteiligt, hat nach dem 7. Oktober ihre Einkommensquellen verloren. Kulturelle Einrichtungen verweigern die Zusammenarbeit mit ihr, teils sogar mit antisemitischer Begründung. Der Journalist und Extremismusexperte Jakub Woroncow wiederum darf nicht mehr in Polens größter linker Zeitung Krytyka Polityczna publizieren, weil er sich gegen Antisemitismus aussprach. Die Aufzählung solcher Fälle ließe sich noch lange fortsetzen.
Einer der Gründer der Polska Partia Socjalistyczna (Polnische Sozialistische Partei, PPS), Piotr Ikonowicz, trat 2022 auf einer Konferenz des European-Palestinian Council for Political Relations (Eupac) auf, einem in Belgien gegründeten Verein, der in Europa Lobbyarbeit für die Hamas betreibt. »Wir sind Terroristen und in guter Gesellschaft«, sagte er in seiner Rede. »Wir sind Terroristen, weil wir die neue Weltordnung angreifen und untergraben.« Konsequenzen für seine Haltung muss Ikonowicz nicht befürchten.