Von Hand gesalzen

Wenn eine Horrormeldung die nächste jagt, lässt sich allzu leicht vergessen, dass man in der besten aller möglichen Welten lebt. Der Philosoph und Butterkeks-Pate Gottfried Wilhelm Leibniz war so hellsichtig, das schon 1710 zu erkennen, doch offensichtlich machten es erst bahnbrechende Fortschritte auf dem Gebiet der Produktwerbung in den vergangenen 100 Jahren.

»Premium-Qualität«, »Delikatesse«, »Klassiker«

Wo sonst als in der besten aller möglichen Welten könnte noch der räudigste Fleischabfall, den die industrielle Tierhaltung in die Supermärkte schaufelt, von »Premium-Qualität« sein, wie der Aufdruck der Plastikpackung verrät? Wo sonst fänden sich im Discounter ausschließlich Nahrungsmittel, die als »Delikatesse« aus »erlesenen« Zutaten zu bezeichnen wären? Wo sonst verfügte jedes Gerät über »modernste Technik«, wäre jeder zweite Film »schon jetzt ein Klassiker«, und wo sonst ließe sich, was man andernfalls schlicht nervig nennen würde, als »Kult« verherrlichen?

Die Produkte, mit denen uns die Konsumgesellschaft versorgt, mögen oft von minderer Qualität sein, aber sie verfügen über Vorzüge, die der Laie gar nicht als solche erkennen könnte, würden sie nicht eigens als solche beworben. Dass etwa Räucherlachs nicht maschinell gesalzen werden sollte, erschließt sich erst aus der stolzen Mitteilung, dieser sei »von Hand gesalzen«.

Wer sich nie die bange Frage gestellt hat, ob die verwendeten Formen denn aus Bronze bestehen, werfe die erste Nudel! 

Eine Packung »italienischer« Pasta wiederum wirbt nicht nur mit dem genialen Slogan »Preparato con amore« (muss die Belegschaft in ihren Arbeitsverträgen zusichern, mit Liebe im Herzen zu malochen, oder hat der Konzern seine Fabriken aus tiefempfundener Liebe zum Profit bauen lassen?), sondern auch mit dem Hinweis: »Traditionelle Herstellung mit Bronzeformen«. Wer sich nie die bange Frage gestellt hat, ob die verwendeten Formen denn aus Bronze bestehen, werfe die erste Nudel! Im Übrigen dürfte es sich bei der industriellen Pastaherstellung um eine der neueren »erfundenen Traditionen« (Eric Hobsbawm) handeln.

Eine faszinierende Textsorte sind zudem jene kleingedruckten Absätze, die sich oft in Anzeigen oder auf der Rückseite einer Verpackung finden. Die liest natürlich kein Mensch, es sei denn aus schierer Verzweiflung am sinnlosen Dasein im Vielzuspätkapitalismus. Ihre Botschaft steckt daher weniger im Text, vielmehr soll ihre bloße Existenz ausdrücken, dass es über dieses Produkt etwas Tolles zu sagen gebe, auch wenn es niemanden interessiert. Ein bisschen wie über jeden von uns.