Wenn es in Amsterdam regnet
Die internationale Isolation Israels in Wissenschaft, Kultur und Sport gehört zu den Zielen der Feinde des jüdischen Staats. Die gezielte Desinformation über die durchorganisierten pogromartigen Angriffe auf Anhänger des Fußballvereins Maccabi Tel Aviv in Amsterdam diente denn auch genau dazu.
In der Nacht zum 8. November hatten nach dem Europa-League-Spiel bei Ajax Amsterdam sogenannte propalästinensische Randalierer nach Angaben der Polizei an mehreren Orten in der Stadt gezielt israelische Fans attackiert, mit Feuerwerkskörpern beworfen und misshandelt.
In den sozialen Medien verbreitete sich zugleich Propaganda. Bilder und Videos wurden von Redaktionen übernommen, die sich kaum die Mühe machten, sich kritisch mit deren Produzenten zu beschäftigen. Die Geschichte des angeblich 14jährigen Benjamin »Bender« B., der sich als Berichterstatter für seinen niederländischen Kanal »Benderbij« im Gegensatz zu erfahrenen Journalisten als einziger getraut habe, die Gewalttaten der Maccabi-Fans ängstlich, aber entschlossen zu dokumentieren, machte im Ausland schnell die Runde. Demnach hätten Maccabi-Fans vor dem Spiel randaliert und palästinensische Flaggen von Wohnhäusern gerissen.
Die anfängliche Empörung über die pogromartige Jagd auf Israelis und Juden wurde relativiert: Die Maccabi-Fans seien selbst schuld gewesen, da sie Hassgesänge angestimmt und stundenlang arabischstämmige Menschen angegriffen hätten.
Allerdings gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der tatsächlich schon 16jährige womöglich kein unvoreingenommener Berichterstatter war: In Benders Team befindet sich neben seinem 25jährigen Verwandten Tommy Buit der 24jährige Wirtschaftsstudent Frits-Willem van der Hoeven, der das erste und einzige Interview über »Benderbij« vor fünf Monaten dem Youtube-Kanal »Left Laser« gegeben hatte. Dessen politische Ausrichtung lässt sich als kremlnah und antiisraelisch beschreiben, mindestens ein veröffentlichtes Video enthält die üblichen Verschwörungslügen über George Soros.
Eindeutiges ist auf dem Video aus Amsterdam nicht zu erkennen, erst durch Benders Kommentare werden im Dunkeln herumrennende, schwarzgekleidete Männer zu Israelis auf der Jagd nach Unschuldigen oder aus Bildern, auf denen weder Steinewerfer noch Holzlatten zu sehen sind, Belege für bewaffnete Maccabi-Fans – 42 derartige inkonsistente Szenen wurden bereits am Wochenende auf einem anonymen X-Account aufgelistet.
Gleichwohl sorgte Benders Video mit dafür, dass die anfängliche Empörung über die pogromartige Jagd auf Israelis und Juden relativiert wurde: Die Maccabi-Fans seien selbst schuld gewesen, da sie Hassgesänge angestimmt und stundenlang arabischstämmige Menschen angegriffen hätten.
Dabei wurde in Gruppenchats die Jagd auf Maccabi-Fans vorab geplant und koordiniert, wie der britische Telegraph berichtete. Demnach schrieb ein Nutzer beispielsweise: »Wir brauchen jede Menge Feuerwerk.«
»Heute Abend gehen wir auf Judenjagd«
Taxifahrer hatten in der Nacht deren Aufenthaltsorte geteilt, in mindestens einem Fall auch das Sicherheitspersonal eines Casinos, in das sich israelische Fans geflüchtet hatten – was von Israelhassern kaum zur Kenntnis genommen wurde. Ebenso wenig wie die mittlerweile größtenteils gelöschten Videos, in denen Juden als »Krebshuren« beschimpft wurden, ein Autofahrer verkündete: »Heute Abend gehen wir auf Judenjagd«, Israelis verprügelt werden oder Menschen, die für Israelis gehalten werden, aufgefordert werden, ihre Pässe zu zeigen.
Die Fotografin Annet de Graaf, die nach dem Spiel fotografierte und filmte, raunte auf ihrem X-Account »iAnnet«, dass es »ein Drehbuch und ein höheres Ziel« für die Ausschreitungen geben müsse und »dass eine Räuberbande der Stadt den Anstand nimmt und die Propaganda für Israel deswegen weltweit floriert«. Dazu retweetete sie am 10. November eine Stellungnahme der umstrittenen UNHCR-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese, in dem diese behauptete, »Pro-Israelismus« sei »im Westen ein Kult«.
Der Amsterdamer Stadtrat Jazie Veldhuyzen, der in Medienberichten mit der Bemerkung zitiert wurde, dass »die Amsterdamer« sich lediglich als Reaktion auf vorangegangene schwere Angriffe durch Maccabi-Fans selbst organisiert hätten, war Mitglied der israelfeindlichen Partei BIJ1, deren Parteiprogramm 2021 das nationale Gedenken an jüdische Opfer der Nazis als »grundlegend rassistisch« bezeichnet hatte. Vielmehr müsse auch der Opfer des Kolonialismus gedacht werden. Veldhuyzen hat gerade die antikapitalistische Partei »De Vonk« gegründet, deren Hauptanliegen Antikolonialismus und die »Befreiung Palästinas« sind.
Straßenbahn in Flammen aufgegangen
Er gehörte auch zu denjenigen, die trotz des vorübergehenden Demonstrationsverbots in der Amsterdamer Innenstadt zu Kundgebungen aufriefen. Sein Tweet nach der Auflösung der Demonstration am Sonntag dürfte mutmaßlich einen Grund für Ausschreitungen vor allem junger Migranten am Montag geliefert haben, bei dem auch eine Straßenbahn in Flammen aufging: Eine ältere Muslimin, die auf der Suche nach ihrem Kind gewesen sei, sei ein Opfer von Polizeigewalt geworden; ihr Gesicht sei blutüberströmt, schrieb Veldhuyzen, lieferte aber kein Foto. De Graaf hingegen schrieb, dass die Frau bei einem versehentlichen Zusammenstoß gestürzt sei. Einen Tag später hatte sich die Geschichte verselbständigt. Jugendliche sagten der Zeitung Het Parool, dass ein auf Tiktok kursierendes Bild einer älteren Frau mit blutigem Gesicht der Grund für den Gewaltausbruch sei. Sie sei angeblich vier Nächte zuvor von randalierenden Israelis schwer verletzt worden. Derzeit fordert Veldhuyzen den Ausschluss des »Terrorstaats Israel« von allen sportlichen Veranstaltungen.
Seit Donnerstag vergangener Woche sind die antisemitischen, israelfeindlichen Kreise international ihrem Ziel, Israel zu isolieren, zumindest im Sport ein gutes Stück nähergekommen. Das am 28. November in Istanbul angesetzte Spiel zwischen Beşiktaş und Maccabi Tel Aviv wird nach Ungarn verlegt, aus Sicherheitsgründen soll es im leeren Stadion stattfinden. Damit entsprach die Uefa einem schon vor den Ausschreitungen in Amsterdam vorgebrachten Wunsch der türkischen Behörden, der mit den angespannten Beziehungen des Landes zu Israel begründet worden war.
Die undifferenzierte Stimmungsmache gegen die Maccabi-Fans zeigt Auswirkungen: Mit »wenn es in Amsterdam regnet, tröpfelt es in Antwerpen« beschreiben vor allem belgische Medien gern, wie schnell meist negative Entwicklungen aus dem Nachbarland übergreifen. Am Wochenende hatte das Schlagwort von der Amsterdamer Jodenjacht in Belgien zu Aufrufen zum Judenjagen geführt, seither wird das jüdische Viertel von Antwerpen verstärkt geschützt. Am Montag wurde ein orthodoxer jüdischer Junge in einer Antwerpener Tiefgarage von mehreren Angreifern geschlagen, zuvor war in einer dunklen Straße ein älterer als Jude erkennbarer Fahrradfahrer angegriffen worden.