14.11.2024
Jonathan Guggenberger hat einen Roman über den Israelhass im Kunstbetrieb vorgelegt

Feuer und Flamme für Palästina

Jonathan Guggenberger hat mit seinem Debütroman »Opferkunst« eine grelle Satire auf die jüngsten antisemitischen Skandale in der internationalen Kunstszene vorgelegt.

Documenta 15, Universität der Künste in Berlin, die Biennale in Venedig – große Teile der internationalen Kunstszene werden nicht müde zu beweisen: Sie haben ein Antisemitismusproblem. Offenbar liegt der Szene viel daran, dass das nicht in Vergessenheit gerät. Und so scheint man fast schon zwanghaft immer wieder aufs Neue daran erinnern zu wollen.

Der Berliner Autor Jonathan Guggenberger hat die sich propalästinensisch nennende Kunst-Bubble beobachtet und eine grelle Satire über Täter-Opfer-Umkehr, Märtyrertum und Judenhass vorgelegt. Sein Roman »Opferkunst« erzählt von Leuten, wie sie narzisstischer, selbstreferentieller und selbstgerechter kaum sein könnten.

»Palestine will set us free«

Das passende Bild liefert Guggenberger direkt zu Beginn: Aaron Geldof, ein junger irischer Künstler, der in Berlin lebt, lässt sich auf der Kunstbiennale in Venedig mit einer Kufiya an ein Kreuz binden und in Brand setzen. Hinter ihm leuchten LED-Lampen und verkünden die frohe Botschaft: »Palestine will set us free. Palestine will live forever.«

Wie bei einer katholischen Messe stimmen die Anwesenden im Chor mit ein. Keiner kommt auf die Idee, ihn vom brennenden Kreuz zu befreien. Immerhin befreit Aaron die Anwesenden; wovon, bleibt unklar.

Enzo Bamberger heißt eigentlich Lorenz Knüppel. Das klang ihm aber zu sehr nach SS-Sturmtrupp.

Klar hingegen wird die Schuldfrage beantwortet. Der Journalist Enzo Bamberger kommentiert den Feuertod seines Freundes kurz und knapp: »Wenn es Israel nicht gäbe, hätte Aaron niemals brennen müssen.« Enzo Bamberger heißt eigentlich Lorenz Knüppel. Das klang ihm aber zu sehr nach SS-Sturmtrupp. Es fehlte etwas »jüdisches Flair«, wie ihm ein Freund erklärt.

Ansonsten bringt Enzo a.k.a. Lorenz das Wort »Jude« nicht mal über seine Lippen. Konsequenterweise will er auf der Documenta auch keinen Antisemitismus erkannt haben, sondern schreibt stattdessen über den angeblichen großen Rassismusskandal.

Gnadenlose Selbstüberschätzung der Szene

Gemeinsam mit Aaron verfolgt er eine Mission: Sie wollen Palästina befreien, Aaron mit seiner Kunst, Enzo a.k.a. Lorenz mit seinen Texten. Tapfer stemmen sie sich der deutschen Staatsräson und dem Zentralrat der Juden entgegen. Sie sind enttäuscht über die Ignoranz der Deutschen, wenn es um Palästina geht, aber sie wittern Konkurrenz, wenn andere es ihnen gleichtun. Schließlich haben sie das Patent auf die Befreiung Palästinas.

Guggenbergers Protagonisten sind Karikaturen ihrer selbst. Die Geschichte lebt von Superlativen und betont damit die gnadenlose Selbstüberschätzung der Szene. Ähnlichkeiten mit realen Persönlichkeiten sind nicht rein zufällig, denn Guggenberger liefert eine satirische Zusammenfassung der Diskussionen der vergangenen zwei Jahre. Viel zu lachen gab es da bislang nicht. Guggenberger hat das geändert.


Buchcover Guggenberger

Jonathan Guggenberger: Opferkunst. Edition Tiamat, Berlin 2024, 256 Seiten, 20 Euro