14.11.2024
People of Color wählen vermehrt republikanisch

Links liegengelassen

Der größte Schock für die Demokraten war wohl die gestiegene Zustimmung von People of Color für Donald Trumps Kandidatur. Jahr­zehntelang hat die Partei Afroamerikaner, Latinos und Native Americans wie selbstverständlich als Stammwählerschaft angesehen.

Linke und Liberale sind vom Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA schockiert. Der rechtsextreme Demagoge Donald Trump wurde zum zweiten Mal zum Staatsoberhaupt gewählt, zudem erhielten die Republikaner die Mehrheit im Senat und möglicherweise im Repräsentantenhaus; darauf deutet der Auszählungsstand bei Redaktionsschluss hin. Aber das ist noch nicht alles, viele waren von einem Teilergebnis besonders erschüttert: Ein Drittel der People of Color hat für Trump gestimmt.

Sicher gab es unter Antifaschistinnen und Antifaschisten ein entferntes Bewusstsein dafür, dass es auch in der extremen Rechten People of Color gibt, vom trumpistischen Mainstream bis hin zu den Neonazis. Schließlich sind Ultranationalismus, die Ablehnung von Demokratie und Gleichheit zugunsten von Autoritarismus und konser­vativen sozialen Hierarchien sowie natürlich Antisemitismus, Frauen-, Queer- und Fremdenfeindlichkeit nichts, was nur Weiße vertreten. Selbst wenn People of Color in der extremen Rechten bereits während Trumps erster Amtszeit Führungspositionen übernahmen – beispielsweise ist der Anführer der Proud Boys, Enrique Tarrio, Afrokubaner –, hat ihre Präsenz viele Linke weiterhin verwirrt.

Einer der Hauptgründe dafür ist der linke Irrglaube, dass Trump und seine Anhänger nichts weiter als white supremacists seien. Darunter fällt auch die Annahme, dass die Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 eine Revolte von white supremacists war, obwohl prominente Anführer People of Color waren; und dass alle People of Color, die Trump unterstützten, bloß Idioten seien, die nur »am Weißsein teilhaben« wollten. Mit anderen Worten: Ethnische Zugehörigkeit und Rassismus wurden als primärer, wenn nicht gar einziger Grund für Trumps Popularität angesehen.

Das für viele überraschendste Er­gebnis ist, dass Trump bei den US-­­amerikanischen »natives« der Nach­wahlumfrage der NBC zufolge 65 Prozent der Stimmen gewonnen hat.

Die schwarze Wählerschaft – traditionell die loyalste Wählergruppe der Demokraten – ist seit Jahren stetig nach rechts gerückt. Noch 2008 stimmten nur vier Prozent von ihnen für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain. Doch während Trumps drei Anläufen auf das Präsidentenamt stieg der Anteil der afroamerikanischen Wähler, die für den republikanischen Kandidaten stimmten, stetig: von acht Prozent im Jahr 2016 auf zwölf Prozent 2020 und 13 Prozent 2024. Dieses Ergebnis war stark geschlechtsspezifisch; 2024 stimmten 21 Prozent der schwarzen Männer – die meisten unter 45 Jahren – für Trump.

Latinos, die schon historisch gesehen nach den Weißen das zweitgrößte konservative Wählerkontingent stellen, sind ebenfalls weiter nach rechts gedriftet. Trotz Trumps durchweg rassistischen Äußerungen über Lateinamerikaner stieg der Anteil der Latino-Wähler, die für Trump stimmten, von 29 Prozent im Jahr 2016 auf 46 Prozent im Jahr 2024 – auch hier ist die Mehrheit der republikanischen Wähler männlich. Auch die asiatischen US-Amerikaner haben vermehrt für ihn gestimmt, der entsprechende Anteil stieg von 29 Prozent im Jahr 2016 auf zuletzt 39 Prozent.

Kaum demokratische Aufmerksamkeit für People of Color

Das für viele überraschendste Ergebnis ist jedoch, dass Trump bei den US-amerikanischen natives der Nachwahlumfrage der NBC zufolge 65 Prozent der Stimmen gewonnen hat. Auch wenn die Umfragen zu recht unterschiedlichen Ergebnissen kommen, so ist doch davon auszugehen, dass sich das Stimmverhalten der native Americans stetig nach rechts verschoben hat. Eine Studie ergab, dass im Jahr 2020 38 Prozent der Stimmen von native Americans an Trump gingen. In ­einer anderen Umfrage lag die Zustimmung seinerzeit bei 52 Prozent.

Bei den Zwischenwahlen zum Kongress 2022 unterstützten einer Studie zufolge 40 Prozent die Republikaner. Egal ob bei der zurückliegenden Wahl die Zustimmungsrate der natives eher zu 40 oder zu 65 Prozent tendiert, die Unterstützung für Trump aus dieser Bevölkerungsgruppe ist vielen Linken komplett unverständlich, sehen sie in ihr doch eine von Natur aus radikale Opposition gegen die USA als solche.

Viele Jahrzehnte lang sind die Demokraten davon ausgegangen, dass People of Color sie grundsätzlich unterstützen würden – und schenkten ihnen daher kaum Aufmerksamkeit. Das führte zu der weitverbreiteten Vorstellung, dass sich die politischen Verhältnisse in den Vereinigten Staaten unweigerlich nach links entwickeln würden, wenn sich die demographische Zusammensetzung der Wählerschaft beispielsweise durch Migration ändert.

Sicht der US-Linken auf die Rolle der Ethnie provinziell

Doch die Republikaner haben sich sehr bemüht, die nichtweiße Bevölkerung zu umwerben. Im November 2016 erläuterte Trumps damaliger Berater Steve Bannon: »Wir werden 60 Prozent der weißen und 40 Prozent der schwarzen und hispanischen Wählerstimmen bekommen und 50 Jahre lang regieren.«

Die Sicht der US-Linken auf die Rolle der Ethnie und die Basis der extremen Rechten hat etwas zutiefst Provinzielles an sich. Selbst wenn man die Islamisten ausklammert, für die sich weite Teile der Linken erwärmt haben, sind reaktionäre Strömungen in ganz Lateinamerika, Afrika und Asien deutlich sichtbar. Man sollte meinen, dass Trumps indischer Geistesverwandter, Premierminister Narendra Modi, dies deutlich genug machen würde. Und die Präsenz nichtweißer Menschen in der Rechten geht weit über den Rechts­po­pulismus à la Trump hinaus. Neo­nazismus ist in ganz Lateinamerika zu finden und hat auch Anhänger auf den pazifischen Inseln, in Asien und nicht zuletzt im Nahen Osten.

Der überwältigende Wahlsieg der Republikaner hat deutlich gemacht, dass die politischen Ansichten in den USA im Wandel begriffen sind und die Politik der Demokratischen Partei der vergangenen Jahrzehnte an Attraktivität verliert. Und vielleicht gilt das auch für die liberale Demokratie insgesamt. Aber unabhängig davon ist die Rechtsentwicklung der People of Color in den USA real und erfordert einen andere politischen Herangehensweise, wenn die Demokraten nicht noch mehr an Unterstützung aus diesen Wählergruppen verlieren wollen.