So schön klingt der Weltuntergang
Donald Trump ist wiedergewählt, Finanzminister Christian Lindner gefeuert, und »wo bleibt meine The-Cure-Schallplatte, die ich schon vor Wochen bestellt habe?!« fragt ein Journalistenkollege sichtlich angefressen in der Kaffeepause.
Ja, immer diese Lieferprobleme! Der frisch wiedergewählte »Agent Orange« sorgt bestimmt dafür, dass Amazon jetzt aber mal endlich »Songs of a Lost World« ins Haus bringt, die wohl stimmigste Platte der Band seit »Desintegration« aus dem Jahre 1989.
We’re so fucked
Das extradunkle, sakral-sphärische, prä- wie postapokalyptische Cure-Album wird vom Branchenriesen Universal vermarktet. Genauso wie Helene Fischers neuestes Hit-Album »Die schönsten Kinderlieder«, darunter »Backe, backe Kuchen«, »Hoppe, hoppe Reiter« und der umstrittene Titel »Aramsamsam«, der die arabische Sprache so niedlich verballhornt.
Und apropos »Alle meine Entchen« – erst vor wenigen Wochen hat Universal das traditionsreiche Indie-Unternehmen Pias, bei dem Nick Cave, Idles, Cigarettes After Sex veröffentlichen, komplett aufgekauft. We’re so fucked.
»Selbst schuld!« hören wir da die neoliberalen Kräfte tönen und möchten in diesem Zusammenhang die gleichnamige Anthologie empfehlen. Darin nehmen 13 Autor:innen das neoliberale Credo auseinander, das einem überall entgegenschallt: Arm? Missbraucht? Ausgebeutet? Überschuldet? Selbst schuld!
Als ungekrönten König der Selbstdemontage darf man den mittlerweile 63 Jahre alten britischen Popmusiker Lawrence bezeichnen.
Lesenswert ist auch der Text zum Thema »Gesundheit« von Anke Stelling, die uns bereits mehrfach mit ihren verbalen Angriffen auf das linksliberale Bürgertum zu überzeugen wusste. Ihr literarisches Alter Ego nimmt bereits im zarten Alter von siebeneinhalb den aussichtslosen Kampf mit der Selbstverantwortung auf, wird schon mit zwölf als »Richtigmacherin« beschimpft und beugt sich dann auch noch der Biopolitik der Bundesregierung und wird schwanger. An allem, was jetzt folgt, ist sie natürlich auch: selbst schuld.
Als ungekrönten König der Selbstdemontage darf man aber den mittlerweile 63 Jahre alten britischen Popmusiker Lawrence bezeichnen. Seine phantastischen Bands Felt und Denim sind leider nur Plattenladen-Nerds bekannt. Die Biographie »Street-Level Superstar: A Year With Lawrence« von Will Hodgkinson lässt uns tief in seine eigensinnige Seele blicken. Mit »Relative Poverty« hat Lawrence bereits 2018 einen kleinen Hit geschrieben, der das Zeug zur Hymne für Menschen in Industriestaaten ohne Wirtschaftswachstum hat.