Odenwald

Wir gingen, Agathe, meine Mutter und ich, auf einem Höhenweg 
von rötlicher Sandsteinfarbe, wie sie mir von Amorbach vertraut ist. 
Aber wir befanden uns an der Westküste Amerikas.

Theodor W. Adorno

I

Von gleißendem Licht überflutet (gleichsam ausgestorben) liegt Amorbach in der Mittagshitze. Die kurvenreiche Autofahrt durch den badischen, hessischen und bayerischen Odenwald hat die Forschenden ermüdet. Malwidas lange Beine ragen aus den Öffnungen ihres Rompers heraus. Spontane Vereinbarung, nicht sofort aussteigen zu wollen. Also lässt Walter seine rechte Hand auf Malwidas linkem Oberschenkel ruhen und bewundert stumm dessen vornehme Blässe, das in Rot- und Blautönen pastellene Farbenspiel der auf beunruhigende Weise durch die Haut scheinenden Adern. Kurzum: das ätherische Wesen seiner Freundin. (Ureigentlich, nicht hier, doch ganz gewiss wo anders, ist Malwida eine Fee.)

Walter hat nun den Sicherheitsgurt gelöst und seinen ungebändigten Lockenkopf auf die nackte, etwas kantige Schulter seiner Gefährtin gelegt. Malwida dagegen: aufrecht in ihrem Sitz und noch immer angeschnallt, das penibel aufgetragene Make-up in dem vor ihr vom Himmel geklappten Schminkspiegel überprüfend, es in flinken, routinierten Zügen nachbessernd.

Kurzer Wortwechsel darüber, was der Unterschied zwischen einem Romper und einem Jumpsuit sei. Ein Jumpsuit habe nicht unbedingt kurze Hosenbeine, meint Malwida. Jumpsuit sei quasi der Überbegriff. Ließe sich vielleicht auch die deutsche Vokabel Strampler zur Anwendung bringen? Auf keinen Fall, sagt Malwida, Strampler haben Füße. Schließlich steigen die beiden Ausflügler aus. Stickige Wärme hatte sich im Inneren des Fonds verbreitet und einen unangenehmen Geruch aus dem erwärmten Kunststoff gelöst.