Orbán freut sich, Scholz weniger
Am Folgetag der US-Präsidentschaftswahl gratulierte der Ministerpräsident Ungarns, Viktor Orbán, als erstes europäisches Regierungsoberhaupt Donald Trump um 8.26 Uhr mitteleuropäischer Zeit zum Wahlsieg. Auf X schrieb er: »Ein dringend benötigter Sieg für die Welt«.
Am selben Abend ließ Orbán nach einem Telefonat mit Trump die Welt wissen, dass die beiden »große Pläne für die Zukunft« hätten. Orbán gehört zu den wenigen europäischen Regierungsoberhäuptern, die regelmäßig von Trump gelobt werden. Der autoritäre Staatsumbau in Ungarn dient Trump bei seinen Regierungsvorhaben als Inspiration. Orbán stellte seinerseits die derzeitige EU-Ratspräsidentschaft Ungarns unter das Motto: »Make Europe Great Again« – in Anspielung auf Trumps Slogan »Make America Great Again« (Maga).
Trumps Präsidentschaft dürfte für viele europäische Staaten zu einem Problem zu werden.
Trumps Präsidentschaft dürfte für viele europäische Staaten zu einem Problem zu werden. Wirtschaftlich, weil er Schutzzölle angedroht hat, um US-Hersteller vor Konkurrenz zu schützen. Militärisch, weil er angedroht hat, die US-Sicherheitsgarantien und die Nato-Beistandsvereinbarungen für europäische Alliierte aufzukündigen. Konkret hieße das angesichts der russischen Aggression: Steigerung der Militärausgaben der EU-Staaten, vor allem in Deutschland. Und politisch kann Trump den meisten Schaden wohl in der Ukraine und auf dem Westbalkan anrichten.
Der serbische Präsident Aleksandar Vučić gratulierte um 8.30 Uhr. Er erhofft sich von Trump Unterstützung für seine Kosovo-Politik. Trump hatte im Jahr 2020 zwischen Serbien und dem Kosovo zu vermitteln versucht und damals im Wahlkampf behauptet, dass die beiden Parteien 400 Jahre lang Krieg geführt, aber sich nach 20 Minuten in seinem Büro küssend in den Armen gelegen hätten – was beides nicht der Wahrheit entspricht. Trump hatte sich von der Vermittlung den Friedensnobelpreis erhofft.
Jared Kushners milliardenschweres Immobilienprojekt in Belgrad
Dass sich die serbische Regierung einiges von Trumps Präsidentschaft verspricht, liegt auch daran, dass dessen Schwiegersohn und ehemaliger Berater Jared Kushner derzeit ein milliardenschweres Immobilienprojekt in Belgrad plant, bei dem er auf das Wohlwollen serbischer Politiker angewiesen ist.
Im Kosovo blickt man so auch kritischer auf Trump. Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti gratulierte um 11.36 Uhr als eines der letzten europäischen Staatsoberhäupter. Der separatistisch gesinnte Ministerpräsident der Republika Srpska, der serbisch dominierten Entität Bosnien-Herzegowinas, Milorad Dodik, gratulierte Trump hingegen um 8.51 Uhr – etwas später als andere europäische Anhänger des Republikaners, dafür aber bei einer anschließenden Pressekonferenz mit einer roten Mütze samt Maga-Aufschrift auf dem Kopf. Kurz darauf nahm er Trumps Wahlsieg zum Anlass, mit einer Abspaltung vom Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina zu drohen.
Trump versprach im Wahlkampf auch, im Falle seines Sieges innerhalb von 24 Stunden Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu stiften, was natürlich Humbug war. Ernst hingegen ist, dass Trump ankündigte, die finanzielle Unterstützung für das angegriffene Land zu senken.
Trump »den Arsch geküsst«
Sollte er das wirklich tun, liefe das vermutlich darauf hinaus, dass die Ukraine große Teile ihres Gebiets an Russland abtreten müsste und dabei wenig Aussichten auf westliche Sicherheitsgarantien hätte. Die EU-Staaten könnten eine rückläufige militärische Unterstützung der USA nicht kompensieren – selbst wenn sie es unbedingt wollten.
Aufgrund der ukrainischen Abhängigkeit von den US-Militärlieferungen ist es plausibel, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj um 9.08 Uhr zum Wahlsieg gratulierte und um »Frieden durch Stärke« – also weitere militärische Hilfe – bat. Selenskyjs Anbiederung bei Trump könnte durchaus eine erfolgversprechende Strategie sein, wenn man bedenkt, dass J. D. Vance zu seinem Vizekandidaten wurde, nachdem er ihm, so behauptete es Trump, »den Arsch geküsst« habe. Noch im Jahr 2016 hatte Vance Trump als »amerikanischen Hitler« bezeichnet.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte und der französische Präsident Emmanuel Macron gratulierten beide um 9.08 Uhr, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen um 9.36 Uhr und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz verhältnismäßig spät um 10.28 Uhr. Kaum erwarten konnte es hingegen die AfD-Vorsitzende Alice Weidel, die bereits um 7.37 Uhr gratulierte, noch bevor endgültig sicher war, dass Trump gewinnen würde. Damit dürfte klar sein, wer sich in Europa am meisten von Trumps Wahlsieg verspricht: die extreme Rechte.