Jungle+ Artikel 21.11.2024
In den meisten Firmenchroniken deutscher Unternehmen fällt die NS-Zeit unter den Tisch

Eine gesäuberte Geschichte

Abus, Schwarzwaldmilch und Adidas stellen ganz unterschiedliche Produkte her, haben aber eines gemein: In ihren Firmenchroniken lassen sie die Zeit des Nationalsozialismus unter den Tisch fallen. Einer neuen Studie zufolge stehen sie damit nicht allein da.

Die deutsche Wirtschaft hat von den Verbrechen der Nationalsozialisten nicht nur profitiert, sondern war daran auch beteiligt. Knapp 80 Jahre nach Kriegsende scheint das ein Großteil der deutschen Unternehmen nach wie vor zu ignorieren. Diesen Eindruck legen jedenfalls die Ergebnisse einer neuen Studie der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) nahe. Historiker:innen haben 1.250 Unternehmen unterschiedlichster Größe darauf überprüft, ob und wie sie ihre Zeit im Nationalsozialismus wissenschaftlich haben untersuchen lassen. Das trifft demnach nur auf acht Prozent der Überprüften zu.

Es ist ein altbekanntes Muster: Mit der Unternehmensgeschichte, die vielfach auch Familiengeschichte ist, befasst man sich nur dann, wenn man dazu gezwungen wird. Das war bei Daimler-Benz so und auch bei den Nachfolgekonzernen der I. G. Farben. Es sind die großen Namen, die einem in diesem Kontext meist zuerst einfallen. Das täuscht jedoch über die massenhafte Verstrickung von Unternehmen im Nationalsozialismus hinweg. Von Aufträgen, Zwangsarbeit und »Arisierung« profitierten viele; belangt wurden die wenigsten.

Auf der Website der genossen­schaftlichen Molkereigruppe Schwarzwaldmilch gibt es keine NS-Zeit in der Firmengeschichte.

Am Beispiel von Freiburg im Breisgau hat die Historikerin Maxilene Schneider gezeigt, wie verbreitet Zwangsarbeit war. In den vierziger Jahren zählte die Stadt etwa 110.000 Einwohner:innen. Schneider geht zur selben Zeit von bis zu 10.000 Zwangsarbeiter:innen aus, die in sämtlichen Wirtschaftsbereichen eingesetzt wurden: in Industriebetrieben und der Landwirtschaft, in städtischen Einrichtungen und im Gastgewerbe, aber auch in Kleinstbetrieben wie Bäckereien und Friseursalons; und nicht zuletzt in Privathaushalten, wo insbesondere junge Frauen aus Osteuropa als Haushaltshilfen ausgebeutet wurden.

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