Verrutschte Seelen
Die Theaterautorin und Essayistin Sasha Marianna Salzmann beklagte in ihrer Dankesrede zum Kleist-Preis, der ihr am 17. November im Deutschen Theater in Berlin überreicht wurde, das deutsche »Mantra vom ›Nie wieder‹«. Während »faschistischen Parteien« die Wähler zulaufen und Stolpersteine aus dem Boden gerissen werden, diene es den Deutschen als Beruhigungspille in Zeiten des wiederaufflammenden Judenhasses.
Aber dann kommt sie sehr schnell zum Punkt, um den es ihr wirklich geht: »Eine palästinensische Autorin berichtete dieses Jahr von einem Umstand, der mir bekannt vorkam: Sie beschrieb, wie sie von Redakteuren unterschiedlicher Medien immer wieder gerügt wurde für den Versuch, zu beschreiben, wie es ist, wenn einem in der deutschen Öffentlichkeit der Raum zum Sprechen genommen wird.«
Da Salzmann dieser Vorgang der unbekannten palästinensischen Autorin bekannt vorkam, scheint auch ihr der »Raum zum Sprechen« genommen worden zu sein. Salzmann ist Autorin bei Suhrkamp, hat eine Gastprofessur an der Kunsthochschule für Medien in Köln und wird mit Literaturpreisen bedacht. Es lässt sich also schlecht behaupten, dass ihr der »Raum zum Sprechen« fehle.
Was immer Salzmann gesehen haben mag, es hört sich nicht sonderlich typisch an, denn jeder, der sich in Berlin mal eine sogenannte propalästinensische Demonstration angesehen hat, wird sich verwundert die Augen reiben. Was da zu sehen ist, sind keine verstörten Trauernden, sondern aggressive Demonstranten, denen gegenüber man lieber nicht zu erkennen gibt, dass man vielleicht anderer Meinung ist.
Noch kein Abonnement?
Um diesen Inhalt zu lesen, wird ein Online-Abo benötigt::