»Seit 2021 kommt es überall zu Protesten«
Sie waren bis vor zwei Wochen in Kuba, wie würden Sie die derzeitige Situation beschreiben?
Die Situation in Kuba ist, um es mit nur einem Wort zu sagen, untragbar. Das ist das Ergebnis der Covid-19-Pandemie in Kombination mit der Politik der maximalen Sanktionen der ersten Trump-Regierung. Beides traf auf Misswirtschaft und Strukturschwächen, die bis in die Regierungszeit von Fidel Castro zurückreichen.
Das agrarwirtschaftliche geprägte Land muss selbst landwirtschaftliche Produkte importieren, welche weiteren Strukturschwächen meinen Sie?
In Kuba gibt es ein Sprichwort, das, glaube ich, aus Osteuropa stammt: Sie tun so, als würden sie mich bezahlen, und ich tue so, als würde ich arbeiten. Während der Covid-19-Pandemie gab es eine Gehaltsreform. Die sollte dazu führen, dass die Menschen zum ersten Mal seit dem Kalten Krieg tatsächlich von ihrem Gehalt leben können. Viele auf Kuba haben kleine Nebengeschäfte oder Familie im Ausland.
Sie waren auch während des »11J« in Kuba, so nennt man die Proteste, die wegen der Nahrungsmittelknappheit am 11. Juli 2021 ausbrachen. Was ist davon heute noch zu spüren?
Im Juli 2021 sah man die Unzufriedenheit der Leute überkochen, am 11. Juli sowie den darauffolgenden Tagen brachten Proteste aus. Die hat der Staat dann energisch niedergeschlagen. Protestierende haben teils drakonische Haftstrafen erhalten. Fragt man heute Kubaner, die sich mit Schimpftiraden über die Probleme aufregen, warum die Leute nichts dagegen unternehmen, sagen die meisten, dass sie Angst haben. Die Strategie der Regierung, die Leute einzuschüchtern, ist aufgegangen.
»Die Regierung stellt sich denen, die ausreisen wollen, nicht mehr in den Weg. Und so verlassen die Menschen Kuba mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln.«
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