12.12.2024
Die geplanten Kürzungen im Berliner Kulturetat

Chialos Kettensägenmassaker

In Berlin sind Haushaltskürzungen im Bereich der Kultur­förderung geplant, die an die Substanz gehen. Der Wider­stand wächst. Der Kultursenat hat nun offenbar vor, einige Kürzungen anders zu verteilen, doch das Gesamtvolumen dürfte gleich bleiben.

Schon seit längerem kursierte das Gerücht, im Kulturetat Berlins seien umfangreiche Kürzungen in Vorbereitung. Bereits am 19. September hatte der Kultursenator Joe Chialo (CDU) auf einer offiziellen Informationsveranstaltung angekündigt, in den nächsten Jahren könnten Einsparungen von fünf bis zehn Prozent der bisher zur Verfügung stehenden Mittel bevorstehen.

Zunächst wurde das von vielen für strategische Kommunikation gehalten: erst mal Schrecken verbreiten, damit es schon fast als gute Nachricht erscheint, wenn am Ende nur um zwei oder drei Prozent gekürzt wird – was für viele Einrichtungen schon schwer zu verkraften wäre. Im Berliner Haushalt sollten insgesamt drei Milliarden Euro eingespart werden.

Warum sollte ein Bereich, dessen Anteil am Gesamthaushalt lediglich 2,1 Prozent ausmacht, dazu einen überproportionalen Anteil von 130 Millionen Euro beitragen? Das entspricht einer Kürzung von rund 13 Prozent! Hatte Chialo nicht vor einem Jahr noch stolz verkündet, der Kulturhaushalt für die kommenden zwei Jahre liege zum ersten Mal über einer Milliarde?

Das Bekanntwerden der Streichungsliste löste bei den Kultureinrichtungen Fassungslosigkeit und blankes Entsetzen aus. Hatte der Kultursenator nicht die ganze Zeit signalisiert, man solle die Füße stillhalten, er werde schon dafür sorgen, dass die Kürzungen im Rahmen bleiben? 

Das Bekanntwerden der Streichungsliste löste bei den Kultureinrichtungen Fassungslosigkeit und blankes Entsetzen aus. Hatte der Kultursenator nicht die ganze Zeit signalisiert, man solle die Füße stillhalten, er werde schon dafür sorgen, dass die Kürzungen im Rahmen bleiben? Inzwischen musste er eingestehen, dass er die Aushandlung der Kürzungsziele den Spitzen der Abgeordnetenhausfraktionen von CDU und SPD überlassen hatte. Deren detaillierte Kürzungsvorgaben hat Chialo offenbar einfach übernommen. Nach jüngsten Informationen sind die Vorschläge aus seinem Haus bei der Kürzungsplanung anscheinend schlicht übergangen worden.

Doch was bis vor kurzem noch unweigerlich zu Rücktrittsforderungen geführt hätte, wie selbst die FAZ bemerkte, könnte womöglich der Auftakt für eine größere politische Karriere werden. ­Chialo passt nur zu gut in die immer konservativer werdende CDU, wenn er neoliberal säuselt, mehr »Eigenverantwortung« sei gefordert und das »Ende des Paternalismus« gekommen.

Eintrittsfreie Museumssonntage abgeschafft

Chialo sekundierte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der populistisch tönte, es gehe nicht an, dass eine Supermarktkassiererin Tickets der Staatsoper mitsubventioniere. Zugleich aber schafft man die eintrittsfreien Museumssonntage ab, die armen Familien eine Möglichkeit boten, mal deren Sammlungen und Ausstellung zu besuchen.

Vielleicht ist die schwarz-rote Regierung mit ihrer Kahlschlagpolitik aber auch zu weit gegangen. Sogar die ehemalige Staatsminis­terin für Kultur, Monika Grütters (CDU), meldete sich zu Wort. Sie kritisierte, die Sparlisten seien »grob, schematisch und teilweise über die Köpfe der Betroffenen hinweg gemacht worden«.

Die ursprünglich angekündigten Kürzungen könnten für Institutionen wie das Berliner Ensemble oder die Schaubühne existenz­bedrohend sein. Ein Großteil der Kosten bei Theatern fällt für die Aufrechterhaltung des Apparats an. Um große Summen einzusparen, muss die Axt deshalb direkt bei der künstlerischen Arbeit angelegt werden. Die Schaubühne teilte bereits mit, man plane Preiserhöhungen, werde nächstes Jahr Inszenierungen absagen und die kleine experimentelle Spielstätte Studio schließen. Aber selbst das reiche immer noch nicht, um eine Insolvenz abzuwenden.

Endgültige Liste erst am 19. Dezember

Seitdem ist einiges in Bewegung geraten. Neue Listen kursieren, auf denen die Kürzungen hektisch umgeschichtet wurden. Die ­Theater kommen darin glimpflicher davon, dafür wird die Kulturraumförderung drastisch von 21,35 Millionen auf 3,2 Millionen geschrumpft. Zahllose Künstler:innen könnten dadurch ihre Atelierräume verlieren. Begründet wird das auch damit, dass ein Großteil dieser Mittel nie abgerufen wurde. Es stellt sich die Frage: Wusste man das im Kultursenat vorher etwa nicht?

Der Diversitätsfonds, im ersten Entwurf komplett gestrichen, soll nun weiter mit 400.000 Euro gefördert werden. Doch weiterhin trifft es den Verein Berlin Mondiale, der Kultur- und Theaterprojekte in »sozial benachteiligten Nachbarschaften« betreibt. Ihm sollen ab der Jahreswende die Mittel komplett gestrichen werden.

Weitere Protestaktionen geplant

Die Verunsicherung ist groß, denn wer wo wie viel sparen muss, wird die Öffentlichkeit erst am 19. Dezember erfahren, wenn die endgültige Liste im Abgeordnetenhaus verabschiedet wird. Es ist dieses Chaos, das die Kulturszene zurzeit auf die Barrikaden treibt. Das Prinzip der Anhörung sei nicht gewahrt worden, beschwerte sich Menekse Wenzler, Verwaltungsdirektorin des Deutschen Technikmuseums, in einer Diskussionsveranstaltung am vergangenen Sonntag in der Schaubühne, an der auch Chialo teilnahm. Doch das scheint die Spitzen von SPD und CDU wenig zu beeindrucken.

Vielleicht ist der Versuch, sich nur mit guten Argumenten zu verteidigen, ein Fehler der Kulturschaffenden, wenn die Gegenseite stur rein ökonomisch vorgeht. Ende November protestierten bereits 2.500 Menschen gegen die Sparpläne, das Bündnis »Berlin ist Kultur« plant weitere Aktionen. Vor allem am Tag der Entscheidung, dem 19. Dezember, soll demonstriert werden. Wie Rainald Goetz einst verkündete: »Wir brauchen keine Kulturverteidigung, lieber geil angreifen … «