Gläubige Atheisten

Schade und auch bezeichnend, dass Slime »Iran« seit mindestens 30 Jahren nicht mehr live gespielt haben. Die Band beim Hafen Rock 2016 in Hamburg
Deutsche Punkbands unterscheiden sich nicht wesentlich von deutschen Satiremagazinen, Parteilinken oder Sozialkundelehrern. Zum Beispiel auch dann nicht, wenn es um Religionskritik geht, sind ja alles gläubige Atheisten. Das läuft dann so: Religion generell ganz doll böse, Witze übers Christentum immer gerne (am liebsten über Katholiken, irgendwas mit Papst oder Kindesmissbrauch oder so) – aber über den Islam lieber nicht. Zu gefährlich, irgendwie auch rassistisch, spielt den Falschen in die Hände.
Das war mal anders: Anfang 1980, also wenige Monate nach der islamischen Revolution, veröffentlichten die Hamburger Punkrock-Pioniere Slime auf ihrer Debüt-EP »Wir wollen keine Bullenschweine« ein Stück namens »Iran«. Es lohnt sich, den Text in Gänze zu zitieren: »Iran, Iran / Zieht Mörderschweine an / Panzer, Panzer / Apokalypse der Landser / Iran, Iran / Mörderisch brutal / Revolution, Revolution / Freiheit auch nicht dieses Mal / Koran, Koran / Bibel von Faschisten / Schah und Khomeini / Ab in die Kisten«.
Einer linksradikalen Parolenband war es hier jedenfalls noch selbstverständlich, nicht nur gegen Bullen, Deutschland und, jaja, das auch, die USA anzusingen, sondern genauso gegen die Islamische Republik Iran.
Das war natürlich platt und grobschlächtig, denn es war Slime, aber Polit-Punk dürfte selten relevanter und näher dran am Geschehen gewesen sein. Einer linksradikalen Parolenband war es hier jedenfalls noch selbstverständlich, nicht nur gegen Bullen, Deutschland und, jaja, das auch, die USA anzusingen, sondern genauso gegen die Islamische Republik Iran. Linke schwadronierten noch nicht von »Islamophobie«; dafür hatten Revolutionsführer Ayatollah Khomeini und seine Leute wohl gerade damit begonnen, den Kampfbegriff zu nutzen, um gegen unverschleierte Frauen und andere Islamfeinde vorzugehen.
Ziemlich schade und auch bezeichnend, dass Slime »Iran« seit mindestens 30 Jahren nicht mehr live gespielt haben und wohl auch nicht mehr spielen werden – ganz bewusst, versteht sich. Aber würde das wirklich den Falschen in die Hände spielen? Nö. Es könnte vielmehr eine symbolische Grußbotschaft an die Richtigen sein: die unverschleierten Frauen im Iran etwa.