02.01.2025
Die Linkspartei fordert Preiskontrollen, doch was hilft wirklich gegen die hohen Lebenshaltungskosten?

Der Horror an der Supermarktkasse

Die Forderung der Linkspartei nach einer Preisgrenze für Glühwein wirkte skurril, verweist aber auf ein wirkliches Problem: Die Lebenshaltungskosten sind enorm gestiegen.

Es darf getrost als Verzweiflungsakt einer im gegenwärtigen Wahlkampf um ihre Existenz kämpfenden Partei angesehen werden: Anfang Dezember forderte die Linkspartei eine Preisgrenze für Glühwein auf Weihnachtsmärkten: Mehr als 3,50 Euro dürfe ein Becher Glühwein nicht kosten.

Die Forderung verweist jedoch auf ein ernsthaftes Problem: die steigenden Lebenshaltungskosten. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sind insbesondere die Verbraucherpreise für Lebensmittel und nichtalkoholische Getränke in den vergangenen vier Jahren um 34 Prozent gestiegen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben der Covid-19-Pandemie, dem Ukraine-Krieg und steigenden Energiekosten führen auch die bereits in Form von Ernteausfällen spürbaren Folgen des Klimawandels zu steigenden Lebensmittelpreisen.

Die Verbraucherpreise für Lebensmittel und nicht­alkoholische Getränke sind in den vergangenen vier Jahren um 34 Prozent gestiegen.

Die Tafeln, die von Supermärkten aussortierte Lebensmittel an Bedürftige verteilen, versorgen immer mehr Menschen; inzwischen seien es 1,6 Millionen Menschen – das berichtete Mitte Dezember Andreas Steppuhn, der Vorsitzende von Tafel Deutschland, der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die wachsende Bedürftigkeit sprenge die Kapazitäten der Tafeln, klagt Steppuhn. Viele Tafeln schränkten die Abgabemengen ein, andere arbeiteten mit temporären Aufnahmestopps oder Wartelisten.

Verschärft wird die Situation durch die rasant steigenden Mieten in den Großstädten. Nach einer ebenfalls Mitte Dezember veröffentlichten Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverbands führen die steigenden Wohnkosten dazu, dass immer mehr Menschen nicht genug Mittel zur Verfügung stünden, ihren sonstigen Lebensbedarf zu decken. Wenn man die Wohnkosten berücksichtige, seien insgesamt 21,2 Prozent der Bevölkerung »von Wohnarmut betroffen«. Das seien »5,4 Millionen mehr Armutsbetroffene als nach konventioneller Berechnung«.

Bedrohliche Entwicklung

Diese Entwicklung ist bedrohlich für die steigende Zahl von Menschen, die sich ausreichend gesunde Ernährung nicht mehr leisten können. Gleichzeitig gefährdet sie einen Pfeiler des deutschen Wirtschaftsmodells. Die ökonomische Dominanz Deutschlands in der EU in den vergangenen 20 Jahren beruhte auf einer strikt auf den Export ausgerichteten Industrie. Deren internationale Konkurrenzfähigkeit ergab sich nicht nur, wie von Kapitalseite gerne behauptet, aus der Qualität von Waren made in Germany. Eine wichtige Voraussetzung des Exporterfolges war, dass Deutschland im Vergleich zur Produktivität der Arbeitskräfte zu einem Niedriglohnland geworden war. Nach Berechnungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sind die Reallöhne in Deutschland von 1992 bis 2017 überhaupt nicht gestiegen. Seitdem wuchsen sie nur langsam.

Die großen Gewerkschaften trugen diese Lohnzurückhaltung mit, um die Exportorientierung der deutschen Industrie zu unterstützen. Durchsetzbar war das unter anderem, weil Lebensmittel in Deutschland im europäischen Vergleich relativ billig waren. Das verdankte sich vor allem der Marktmacht der großen Supermarktketten, die für niedrigere Verbraucherpreise die Lebensmittelproduzenten unter Druck setzen können. Das Resultat: In keinem anderen EU-Land geben die Menschen einen so geringen Teil ihrer Konsumausgaben für Lebensmittel sowie Pflege- und Gesundheitsprodukte aus wie in Deutschland.

Sollten die Lebensmittel sich weiter verteuern, würde das also auch das ohnehin kriselnde Wirtschaftsmodell der deutschen Industrie weiter beeinträchtigen. Es ist auch längst nicht nur die Linkspartei, die mit Wahlkampfgags versucht, das Thema zu besetzen. Von SPD und Grünen war im vergangenen Jahr gelegentlich die Forderung einer »Dönerpreisbremse« zu hören. Doch waren damit keine echten Preiskon­trollen gemeint, sondern nur das Versprechen, durch sinkende Energiepreise die Lebensmittelpreise zu senken.

Preiskontrollen rechtlich schwer zu verwirklichen

Richtige Preiskontrollen fordert nur die Linkspartei. Kürzlich schlug deren Co-Vorsitzende Jan van Aken eine »Preisbehörde« im Bundeswirtschaftsministerium vor, die Preise im Einzelhandel überwachen solle. Im »Lebensmittelsektor sollen ohne Genehmigung keine Preiserhöhungen vorgenommen werden dürfen«, so van Aken.

Allerdings wäre dies rechtlich schwer zu verwirklichen. Im September verwarf der Europäische Gerichtshof eine ungarische Regierungsverordnung, die für bestimmte Grundnahrungsmittel einen Höchstpreis festlegte – das sei wettbewerbswidrig und verstoße gegen EU-Recht. Geklagt hatte der ungarische Ableger des deutschen Einzelhandelskonzerns Spar.

Dass so viele Menschen in Deutschland kaum noch über die Runden kommen, würde sich wohl nur durch erhebliche Lohnsteigerungen und höhere soziale Transferleistungen ändern lassen.

Der noch amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schlug nun im Bundestagswahlkampf vor, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel von sieben auf fünf Prozent zu senken. Rechtlich wäre das kein Problem. Allerdings wären auch die Auswirkungen überschaubar: Grundnahrungsmittel im Wert von 50 Euro würde sich nur um 93 Cent verbilligen. Ganz abgesehen davon, dass Händler solche Steuersenkungen gerne selbst einstreichen, also für versteckte Preiserhöhungen nutzen.

Dass so viele Menschen in Deutschland kaum noch über die Runden kommen, würde sich wohl nur durch erhebliche Lohnsteigerungen und höhere soziale Transferleistungen ändern lassen. Mit beidem ist allerdings nur zu rechnen, wenn die Bereitschaft unter Lohnabhängigen und auf den Sozialstaat angewiesenen Menschen steigt, für ihre Interessen politische und soziale Auseinandersetzungen zu führen.