Das queere Quartett
Trigger-Warnung: Das neue Buch von Hengameh Yaghoobifarah ist nichts für Leute, die gern auch mal einen Satz nur mit deutschen Wörtern lesen möchten!
Aber wenn man sich aufs Denglische eingelassen hat, reißt einen die überschäumende Handlung des Romans »Schwindel« mit. Allein der Schauplatz! 15. Stock eines Hochhauses.
Passend zur Figur ändert sich jeweils das Schriftbild: Bei Delia, die nichtbinär ist, gibt’s konsequent die Kleinschreibung, manchmal wird auf Lyrik umgestiegen, und auch diese Wechsel steigern das Schwindelgefühl während der Lektüre.
Leider fällt an einem Freitagabend die Tür von Avas Apartment zu, der Schlüssel liegt drinnen, die Wohnungseigentümerin und ihre drei Besucher:innen Robin, Delia und Silvia sind draußen im Flur und finden sich nach einigen Turbulenzen auf dem Dach des Hauses wieder, von dem sie ohne Schlüssel aber nicht mehr ins Gebäude kommen. Ihre Handys haben sie natürlich auch nicht dabei.
Nun sind drei Frauen plus eine nichtbinäre Person auf dem Dach gefangen und haben nichts Besseres zu tun, als mit großer Energie aufeinander herumzuhacken. Sie bilden neue Allianzen und führen Diskussionen: Robin, die von Ava heiß begehrt wird, ist gar keine echte Lesbe, denn sie lebt mit einem Mann zusammen, kann es als mildernder Umstand gelten, dass es ein Transmann ist?
In eigenen Kapiteln wird die Vorgeschichten der vier erzählt und passend zur Figur ändert sich jeweils das Schriftbild: Bei Delia, die nichtbinär ist, gibt’s konsequent die Kleinschreibung, manchmal wird auf Lyrik umgestiegen, und auch diese Wechsel steigern das Schwindelgefühl während der Lektüre.
Draufgänger, Lover, Buddy
Faszinierend ist die Sprache des Romans. Alle vier sind darauf aus, bloß keinen Fehler zu machen, wenn sie über die nichtbinäre Delia sprechen, ansonsten benutzen sie das generische Maskulinum, es geht um den Draufgänger, den Lover, den Buddy.
Als das queere Quartett entdeckt, dass Delia noch ein paar Stullen im Rucksack hat, wird verkündet, dass »jeder« eine kriegen kann. Das Drama auf dem Dach findet ein überraschendes Ende, und die Leserin, die gern noch viel mehr gelesen hätte, blättert taumelnd noch mal zu den Lieblingsstellen zurück.
Hengameh Yaghoobifarah: Schwindel. Blumenbar, Berlin 2024, 240 Seiten, 23 Euro