Jungle+ Artikel 09.01.2025
Im Namen Rosa Luxemburgs für Nationalismus zu demonstrieren, ist Unfug

Sozialismus oder »nationale Befreiung«

Am Sonntag wurde wie jedes Jahr in Berlin der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts gedacht. Dass Luxemburg früh vor einem linken Nationalismus warnte und den linken Antisemitismus kritisierte, spielt für viele teilnehmenden Gruppen kaum eine Rolle.

Als sich Mitglieder der polnischen Sozialdemokratie 1910/1911 an einer antisemitischen Hetzkampagne beteiligten, führte Rosa Luxemburg das auf deren Nationalismus zurück. Man könne kein »Sozialnationalist« sein, schrieb sie pointiert in der polnischen Zeitschrift Czerwony Sztandar (Rote Fahne), »ohne Antisemit zu sein«. Die »Pestflut des Antisemitismus« gehe »überall auf der Welt mit dem Nationalismus« einher.

Die Kampagne hatten Zeitungen aus dem Umfeld der Związek Postępowo-Demokratyczny (Demokratische Fortschrittsunion) angezettelt. Die nationalliberale Partei wollte eine revolutionäre Stimmung abwenden, wie es sie fünf Jahre zuvor, 1905, in polnischen Industriezentren gegeben hatte. Ihre Hetzkampagne richtete sich vor allem gegen die Partei Rosa Luxemburgs, die 1893 gegründete Socjaldemokracja Królestwa Polskiego i Litwy (Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauen, SDKPiL). Dafür strickten die Nationalliberalen die Verschwörungstheorie, das polnische Proletariat werde von »Juden« gegen seine nationalen Interessen in die Irre geführt.

Nur vor dem Hintergrund, dass sie die »nationale Befreiung« immer und überall ablehnte, lässt sich Luxemburgs spöttische Haltung zum Zionismus verstehen.

Zu Luxemburgs Entsetzen beteiligten sich auch Mitglieder der anderen polnischen sozialdemokratischen Partei, der Polska Partia Socjalistyczna (Polnische Sozialistische Partei, PPS), an der Hetze. »Die letzten Monate«, schrieb Luxemburg im Februar 1911 im Czerwony Sztandar, hätten etwas gezeigt, was »noch nie dagewesen, solange die Welt besteht: An der antisemitischen Kampagne hat sich eine Gruppe beteiligt, die sich sozialistisch schimpft, und zwar die ›Revolutionäre‹ Fraktion der PPS.«

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