16.01.2025
René Pollesch, »A Real Pain«, Electronic Body Music

Play It Again

Popkolumne. Der Blick richtet sich wieder auf neue Kulturproduktionen: ein posthumer Pollesch in der Volksbühne, die Filmdramödie »A Real Pain« von Jesse Eisenberg und die ­Geschichte des hybriden Techno- und Goth-Vorreiters Electronic Body Music.

Nachdem sämtliche Jahresbestenlisten 2024 durchgescrollt sind, richtet sich der Blick wieder auf neue Kulturproduktionen. Die Berliner Volksbühne bringt posthum René Polleschs Prosatext »Der Schnittchenkauf« auf die Bühne, in dem über die Erfindung der vierten Wand, Deleuze­ianische Differenz und Wiederholung im Theater sowie den ewigen Zwist zwischen Klassiker und Moderne im Netflix-Zeitalter nachgedacht wird.

Nachdem Vegard Vinge und Ida Müller die Interimsintendanz der Volksbühne abgesagt hatten, steht das Theater weiter ohne Leitung da. Die eingespielte Crew ist bestens aufgelegt, so dass man sich fast schon fragt, ob diese erfahrenen Schauspieler:innen überhaupt noch Regieanweisungen brauchen. Aber nein, ein Sparvorschlag soll das nicht sein!

Die urkomische bis tieftraurige Filmdramödie »A Real Pain«

Großartige Schauspielkunst prägt auch die urkomische bis tieftraurige Filmdramödie »A Real Pain« von Jesse Eisenberg, die den Holocaust und seine Folgen für nachfolgende Generationen mit dem nötigen Feingefühl behandelt: Benji, der spektakulär von »Succession«-Star Kieran Culkin verkörpert wird, macht mit seinem Cousin David, der von Eisenberg selbst gespielt wird, einen Trip nach Polen, auf den Spuren ihrer jüdischen Geschichte.

Während David ein zwangsneurotischer Charakter ist, erobert der widersprüchliche Benji die Herzen der aus jüdischen Amerikanern bestehenden Reisegruppe im Sturm. Dank ihm finden alle zu einem lebendigeren Umgang mit ihrem verschütteten Schmerz.

In »Electronic Body Music«, herausgegeben von Yuma Hampejs und Marcel Schulze, geht es auf fast 600 Seiten um die Geschichte der elektronischen Körpermusik bis heute.

Auf Deutsch schon vor zwei Jahren erschienen, nun wird es in englischer Ausgabe für den Weltmarkt veröffentlicht: »Electronic Body Music«, herausgegeben von Yuma Hampejs und Marcel Schulze. Darin geht es auf fast 600 Seiten um die Geschichte der elektronischen Körpermusik bis heute, um bahnbrechende Acts wie Front 242, Deutsch Amerikanische Freundschaft oder Skinny Puppy.

Die Recherche führt durch 16 Länder, vom stilprägenden Label Play It Again Sam, das 2000 von Brüssel nach London verlegt wurde, bis nach Japan zum Duo Deutsches Reichspatent. Die ­Geschichte dieses hybriden Techno- und Goth-Vorreiters wird anhand von Interviews und Texten aus Insiderperspektive erzählt.

Der monoton-treibende, energetische Maschinen-Sound und die passenden Endzeit-Looks der Electronic Body Music könnten in diesem Jahr end­gültig die coolen, urbanen Szenen der Millennials und der Gen X er­reichen, derweil Punk mit Acts wie der Antilopen Gang oder Amyl and the Sniffers fast schon wieder im Mainstream angelangt ist. Die EBM könnte eine Verjüngung gut gebrauchen.