Homestory #04/2025
»Sitzen ist das neue Rauchen.« Diesen Satz knallte eine Orthopädin kürzlich einem Redaktionsmitglied ihrer Lieblingszeitung vor den Latz, das sich aufgrund quälender Rückenschmerzen an sie gewandt hatte. Tatsächlich gibt es einen regelrechten Kult um die richtige Haltung, nicht nur in allerlei dämlichen linken Debatten, sondern auch ganz buchstäblich dann, wenn es ums Arbeiten geht.
Da wird teilweise gar ganz aufs Sitzen verzichtet: Der Stehschreibtisch wurde jahrelang angepriesen, nun aber erschien eine australische Studie, die zu dem Schluss kam, dass ein Stehpult zwar Vorteile für den Rücken hat, aber auch zu Kreislaufbeschwerden und Krampfadern führen kann. Wie man es macht, macht man es falsch.
Wie man es macht, macht man es falsch
Geraucht wird in der Redaktion der Jungle World fast gar nicht mehr (die überwiegende Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen hat aufgehört), aber gesessen wird natürlich weiterhin viel. Den allermeisten scheinen die Bürostühle dabei nichts auszumachen, obwohl kürzlich die Idee aufkam, neue anzuschaffen. Nach kurzer Euphorie stellte sich allerdings heraus, dass eigentlich doch nicht wirklich Interesse bestand, entweder hatte man allein den Kolleginnen und Kollegen ein neues Möbel gewünscht und nicht sich selbst, oder man hatte genügsam eingesehen, dass es doch bestimmt zu teuer sei, neue anzuschaffen.
Noch einmal darauf angesprochen zeigte sich aber ein ganz anderes Bild: Eine Kollegin hätte sogar umsonst neue Stühle über ihren Freund besorgen können, in dessen Büro ausgeräumt wurde, und hatte das bereits angeboten, nur leider reagierte damals niemand, wie sie erzählt: »Ich glaube, das geringe Interesse lag daran, dass der Vorschlag kurz nach unserem Umzug kam und wirklich keiner Lust hatte, jemals wieder irgendetwas Großes dort hineinzutragen.«
Ein Kollege berichtet, dass sein Stuhl, wenn er mal einen Tag nicht ins Büro kommt, den Platz gewechselt hat … manchmal sogar den Raum. Das gilt im Übrigen auch für Tastaturen und Computermäuse, die ihre Runden in der Redaktion drehen.
Nun, da die Stühle längst der Schrottpresse übergeben worden sind, trauern einige ihnen doch hinterher, insbesondere da man auf einen der wenigen eher bequemen Stühle höllisch aufpassen muss. Ein Kollege berichtet, dass sein Stuhl, wenn er mal einen Tag nicht ins Büro kommt, den Platz gewechselt hat … manchmal sogar den Raum. Das gilt im Übrigen auch für Tastaturen und Computermäuse, die ihre Runden in der Redaktion drehen – und zwar nicht von Zauberhand, sondern von den Kollegen geklaut, nein, vergesellschaftet werden.
Aber was wird jetzt aus den neuen Stühlen, wenn sie dann noch kommen? Werden sie ergonomisch sein, für eine gute Körperhaltung sorgen? Eine Kollegin winkt ab: »Zu Hause habe ich meinen von Stiftung Warentest empfohlenen Stuhl gegen einen stinknormalen Küchenstuhl ausgetauscht, mein fürchterlich kaputter Nacken beschwert sich seitdem weniger.«