30.01.2025
Französische Rechte fordern Wirtschaftspolitik nach Mileis Vorbild

Mileis französische Epigonen

In Frankreich machen Kapitalvertreter der extremen Rechten Avancen – und umgekehrt.

Paris. Für die Konferenz »Großes Forum der Freiheiten« am 21. Januar in Paris hatte sich der Gastgeber Eric Ciotti zur Dekoration des Rednerpults etwas Besonderes ausgesucht: eine Kettensäge.

Damit wollte Ciotti wohl seinem politischen Vorbild, dem argentinischen Staatspräsidenten Javier Milei, huldigen. Und wie diesem ging es Ciotti als Verfechter einer äußerst repressiven Innen- und Sicherheitspolitik bei der Konferenz weniger um die Freiheiten im Plural als vielmehr um die eine und ausschließliche Freiheit, die Freiheit des Marktes.

Am Montag gab Eric Ciotti ein Interview, in dem er nach Art von Elon Musk vorschlug, rund 100 Regierungsbehörden und öffentliche Einrichtungen ersatzlos abzuschaffen, darunter die Umweltbehörde, die Medienaufsicht sowie die regionalen Gesundheitsbehörden. 

Veranstaltet wurde die Konferenz von der Partei Union der Rechten für die Republik (UDR). Diese hatte Ciotti 2024 gegründet, nachdem er zuvor infolge seines Versuchs, die stärkste konservative Partei Frankreichs, Les Républicains (LR), in ein Wahlbündnis mit dem rechtsextremen Rassemblement national (RN) zu führen, aus der Partei ausgeschlossen worden war; Ciotti war bis dahin Vorsitzender von LR. Mit seiner neuen Partei bildet er nun eine Fraktion mit dem RN in der Nationalversammlung.

Am Montag gab Ciotti dem Fernsehsender RMC BFM Play ein Interview, in dem er nach Art von Elon Musk vorschlug, rund 100 Regierungsbehörden und öffentliche Einrichtungen ersatzlos abzuschaffen, darunter die Umweltbehörde OFB, die Medienaufsicht Arcom sowie die regionalen Gesundheitsbehörden (Ars). All diese Einrichtungen sorgten, so Ciotti in angewidertem Tonfall, nur für »Normen und Auflagen«.

Widerspruch zur etatistischen Ausrichtung des rechtsextremen Fraktionspartners

Mit dieser ultralibertären Rhetorik begibt sich der 59jährige in einen ­gewissen Widerspruch zu der eher etatistischen Ausrichtung seines rechtsextremen Fraktionspartners. Zumindest die dominante Strömung im RN hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder für protektionistische Maßnahmen ausgesprochen, wie etwa Strafzölle auf ausländische Produkte, und dabei nicht an antisemitischen Feindbildern wie dem »Spekulantentum« oder dem »vaterlandslosen Finanzkapital« gespart. Zu einer derartigen Ausrichtung, die der Philosoph Michel Feher 2024 in einem Buch über die Partei mit dem Titel »Producteurs et parasites«  (Produzenten und Schmarotzer) zusammenfasste, passt der Wunsch nach rabiater Deregulierung jedenfalls eher nicht.

Ein Widerspruch wiederum, der auch in der US-amerikanischen Rechten wirkt, wo Wünsche nach Befreiung der Unternehmen von lästigen Regulierungen sich an stark protektionistischen Vorstellungen reiben. Der Konflikt zeigte sich zuletzt an einem Streit innerhalb der Maga-Bewegung um Visa für ausländische Arbeitskräfte.

Auch in der französischen Rechten treiben die Strömungen auseinander: Die eine folgt ultralibertären Vorgaben – Abbau sozialer und bürokratischer Regulierungen, rabiate Steuersenkungen –, während die andere, jedenfalls in der Programmatik, einen starken Staat befürwortet.

Das rechtslibertäre Lager wird immer stärker

Dass die extreme Rechte in jüngerer Zeit Gehör bei Unternehmerverbänden findet, die den wirtschaftlichen Sachverstand von Le Pen und Co. bisher eher belächelt hatten, hängt wohl damit zusammen, dass das rechtslibertäre Lager der Milei- und Musk-Anhänger in Frankreich immer stärker wird.

Anfang Dezember vorigen Jahres publizierte Pierre Gattaz, früherer Präsident der größten Arbeitgeberver­einigung Medef – dessen Vater Yvon Gattaz bereits Präsident der Vorläuferorganisation CNPF war –, einen Beitrag bei Linkedin. Darin warf er die ­lediglich rhetorische Frage auf, ob Frankreich angesichts des »bürokratischen Wahnsinns« nicht »einen Donald Trump, einen Elon Musk oder einen Milei« benötige, und verlinkte dazu ein Video des RN-Abgeordneten in der Nationalversammlung und Wirtschaftsexperten der Partei, Jean-Philippe Tanguy, in dem dieser bürokratische Normen und Steuern geißelte.

Selbst der bislang politisch eher als linksliberal geltende Milliardär und Unternehmer Xavier Niel wurde Anfang Dezember 2024 in der wirtschafts­nahen Tageszeitung L’Opinion mit den Worten zitiert, der »einzig Vernünftige, was die Unterstützung für die Unternehmen betrifft, ist derzeit Jordan Bardella«, auch wenn dies furchtbar sei. Dabei dürfte der 29jährige RN-Vorsitzende von Ökonomie keinen blassen Schimmer haben. Vielleicht prädestiniert ihn das zum politischen Ver­treter der Kapitalinteressen ja umso mehr.