Erinnerung verboten
Die Statue ist aus Bronze und zeigt zwei Stühle. Auf einem sitzt ein junges Mädchen in koreanischer Tracht. Ihre Haare sind zerzaust, und auf ihrer Schulter sitzt ein kleiner Vogel als Symbol für ihre Sehnsucht nach Freiheit. Der Stuhl neben ihr ist frei und soll ihre Verlassenheit zeigen. So beschreibt der deutsche Korea-Verband die sogenannte Friedensstatue auf seiner Website. Die Skulptur erinnert an das Schicksal der bis zu 200.000 »Trostfrauen« in Korea – eine euphemistische Bezeichnung der japanischen Besatzungsmacht für sexuell versklavte Frauen. Während des Zweiten Weltkriegs wurden sie von dem mit Nazi-Deutschland verbündeten Japan in Feldbordelle verschleppt und zur Prostitution gezwungen.
Die erste dieser Statuen wurde 2011 in Südkoreas Hauptstadt Seoul aufgestellt, bei einer der regelmäßigen Demonstrationen von ehemaligen »Trostfrauen« und ihren Unterstützerinnen vor der japanischen Botschaft. Kopien finden sich heutzutage in den USA, Kanada, Australien, Hongkong, Japan, auf den Philippinen und auch in Deutschland. Fast überall rufen die Statuen japanische Diplomaten auf den Plan, die fordern, sie abzureißen.
Die Skulptur erinnert an das Schicksal der bis zu 200.000 »Trostfrauen« in Korea – eine euphemistische Bezeichnung der japanischen Besatzungsmacht für sexuell versklavte Frauen.
In Berlin steht die Statue auf einem privaten Gelände im Ortsteil Moabit, der zum Bezirk Mitte gehört. Als der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im vergangenen Jahr die Berliner Partnerstadt Tokio besuchte, versprach er der damaligen japanischen Außenministerin Yōko Kamikawa, sich um die Statue zu kümmern. Er wolle sich dafür einsetzen, dass es ein Denkmal gegen Gewalt an Frauen gebe, aber »eine einseitige Darstellung dürfe nicht mehr stattfinden«. Nachdem der japanische Botschafter mehrmals bei der Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Mitte, Stefanie Remlinger (Grüne), vorstellig geworden war, soll die Statue nun abgebaut werden. Ob sie in Berlin einen neuen Standort findet, ist noch offen.
Nun gibt es auch in Köln Streit um die Statue. Vom 8. März bis zum 1. Juni soll im NS-Dokumentationszentrum der Stadt die seit 2009 tourende Wanderausstellung »Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg« zu sehen sein. Entwickelt wurde sie von der Gruppe Recherche International.
Zu der Ausstellung gehört ein umfangreiches Begleitprogramm. Es gibt Lesungen zum Thema »Afrika im Weltkrieg«, Vorträge über schwarze Deutsche während des NS-Regimes und über die Folgen des Holocausts in Nordafrika, Theateraufführungen und eine Filmreihe, in der auch eine Dokumentation über Frantz Fanon zu sehen ist, den vielleicht prominentesten Theoretiker der Entkolonialisierung.
»Verboten hat die Stadt nichts«
»Die Verschleppung von Frauen in japanische Militärbordelle ist in unserer Ausstellung mit zahlreichen Aussagen von Zeitzeuginnen historisch zweifelsfrei belegt«, sagte ein Vertreter der Gruppe der Jungle World. »Wir wollten darauf auch mit der Friedensstatue auf dem Bürgersteig vor dem NS-Dokumentationszentrum aufmerksam machen. Aber das hat Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker untersagt.«
Die Stadt Köln bestreitet das. Auf Anfrage der Jungle World teilte deren Pressestelle mit: »Verboten hat die Stadt nichts«, man habe »lediglich einen alternativen Standort auf einem öffentlich zugänglichen Privatgelände in unmittelbarer Nachbarschaft« zum NS-Dokumentationszentrum vorgeschlagen. Die Aufstellung von Denkmälern im öffentlichen Raum sei »kein laufendes Geschäft der Verwaltung«, sondern bedürfe eines politischen Gremienbeschlusses.
»Vier städtische Ämter sind an unserem Ausstellungsprojekt beteiligt und seit zwei Jahren darüber informiert, dass die Friedensstatue vor dem NS-Dokumentationszentrum aufgestellt werden soll«, sagte dagegen der Vertreter der Gruppe Recherche International. Es gehe der Stadt nicht um einen alternativen Standort für die Statue, »sondern sie soll explizit nicht im öffentlichen Raum und auf städtischem Gelände stehen«.
»Im Sinne der japanischen Geschichtsrevisionisten«
Zunächst sei vorgeschlagen worden, sie im Innenhof des NS-Dokumentationszentrums aufzustellen, auf der ehemaligen Hinrichtungsstelle der Gestapo. Selbst dieser Vorschlag sei nicht deshalb zurückgenommen worden, »weil er geschichtsvergessen und zynisch ist, sondern weil der private Besitzer des Hofs um die Zufahrt zu seiner Garage fürchtete«.
Als Ersatz habe die Stadt den Innenhof einer Kirche ausersehen – »ohne jede Rücksprache mit uns«. Dieser Ort sei von außen kaum einsehbar und werde abends abgeschlossen: »Die Statue soll schlicht aus den Augen und aus dem Sinn, ganz im Sinne der japanischen Geschichtsrevisionisten.«
Mehr als 50 erinnerungspolitische Initiativen und Einzelpersonen haben sich der Forderung bereits angeschlossen, »keine Zugeständnisse an Geschichtsrevisionismus aus Japan« zu machen und in Köln »Solidarität mit den von sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen weltweit« zu zeigen.
Die Stadt bestreitet jede japanische Einflussnahme. Aber die Gruppe Recherche International ist sich sicher, dass diese – wie in Berlin – der Grund für das städtische Verbot sei. Aufgeben will die Gruppe nicht. Am kommenden Dienstag soll der Disput um die Statue im Kulturausschuss der Stadt behandelt werden. In einem offenen Brief an Oberbürgermeisterin Reker fordern die Kuratorinnen gemeinsam mit dem deutschen Korea-Verband, verschiedenen Beratungsstellen für Frauen und Vereinen wie dem Forum Philippinischer Frauen, die Statue wie geplant vor dem NS-Dokumentationszentrum aufzustellen.
Mehr als 50 erinnerungspolitische Initiativen und Einzelpersonen haben sich der Forderung bereits angeschlossen, »keine Zugeständnisse an Geschichtsrevisionismus aus Japan« zu machen und in Köln »Solidarität mit den von sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen weltweit« zu zeigen. Dies werde man am 8. März, dem Internationalen Frauentag, auch bei einer Kundgebung vor dem NS-Dokumentationszentrum fordern.