Auf einmal will jeder Polit-Influencer sein
Nun ist es also soweit: 20 Tage vor der Bundestagswahl wimmelt es auf Social Media nur so vor Menschen, die in mehr oder weniger langen Beiträgen erklären, Partei X zu wählen. Aus ganz diversen Gründen: Bei den einen ist es die langjährige unerschütterliche Liebe zu eben dieser Partei, bei anderen sind es diese ganz besonderen Zeiten, die wahlbürgerliches Engagement verlangen, und wieder anderen ist es nach umfangreichen Recherchen gelungen, das kleinste Übel zu finden.
In den Kommentaren darunter wird die Wahlentscheidung gefeiert oder verdammt, je nach Standpunkt.
Bei einigen könnte hinter den Posts die Angst stehen, für jemanden gehalten zu werden, der oder die AfD wählt, aber eigentlich ist man mit solchen Trotteln ohnehin nicht social-media-befreundet.
So geht das nun tagein, tagaus, und man kommt nicht umhin, sich vorzustellen, dass diejenigen, die da ihre Parteipräferenzen veröffentlichen, wirklich denken, dass Leute das lesen, die dann beglückt ausrufen: »Oh, also wenn der oder die Dingens die wählt, dann werde ich das natürlich auch tun.«
Denn was sollte es sonst für einen Grund geben als die grandiose Überschätzung des eigenen Polit-Influencertums? Gut, bei einigen könnte es die Angst sein, für jemanden gehalten zu werden, der oder die AfD wählt, aber eigentlich ist man mit solchen Trotteln ohnehin nicht social-media-befreundet.
Frühjahrsmode und Politiker-Pullover
Aber egal. 20 Tage gilt es nun noch durchzuhalten und Facebook, X (vormals Twitter), Mastodon und Bluesky, Linkedin plus Instagram und all die ganzen anderen Dingsies möglichst umfassend zu meiden. Danach kann man wieder hingucken und all denen, die noch vor kurzem vehement gegen Partei Y agitiert haben, dabei zusehen, wie sie sich vor lauter Freude, dass X und Y nun die neue Regierung bilden werden, kaum einkriegen.
Und irgendwann in nicht allzu ferner Zeit gibt es einen neuen Wahlkampf und alles geht wieder von vorne los.
Das sind natürlich insgesamt keine schönen Aussichten, und deswegen ist das auch keine schöne Kolumne, was natürlich schade ist. Aber nächste Woche gibt es ja schon wieder ein neues Medium (so heißt diese Kolumne), und dann wird es um etwas ganz anderes gehen, vielleicht sogar um Frühjahrsmode, selbstverständlich ohne Politiker-Pullover, wobei, warum eigentlich nicht?