Der analoge Mann
Am Sonntagnachmittag sitzen Julia und ich im Humboldt-Forum in der Ausstellung »Geschichte(n) Tansanias« und zeichnen. Die Urban Sketchers Berlin treffen sich regelmäßig hier. Ich habe einen Kater.
Eigentlich hätten Julia und ich bei der Demo dabei sein sollen, aber stundenlang draußen herumzulaufen, hätte ich sicher nicht geschafft.
Am Abend vorher waren wir lange aus, saßen im »Clash« und haben Bier getrunken. Samstagnachts ist das »Clash« wie eine Zeitreise in die Achtziger. Als wir mit unserer kleinen Gruppe hereinkommen, ist das große Lokal bis auf den letzten Platz besetzt. Das Publikum ist für eine Punkkneipe sehr gemischt, gefühlt rauchen alle, die Musik ist ohrenbetäubend laut. Zufällig wird gerade ein Tisch frei. Es ist sehr gemütlich. Als wir gehen, bin ich ganz ordentlich betrunken.
Nun nehme ich neben Julia Platz. Ich spüre den Alkohol noch, bin sehr slow. Zur selben Zeit findet die Demonstration »Aufstand der Anständigen – Wir sind die Brandmauer« mit rund 150.000 Leuten statt. Eigentlich hätten Julia und ich dabei sein sollen, aber stundenlang draußen herumzulaufen, hätte ich sicher nicht geschafft. Mit Mühe kann ich mich auf die Schnitzerei vor mir konzentrieren. Es ist ein riesiger Türrahmen aus Kamerun, geklaut von deutschen Soldaten 1913.
Ein herrlich abstraktes Gebilde, voll verspielter Details. Links oben ist ein Europäer mit Tropenhelm auf einem Pferd sitzend dargestellt, rechts eine Figur mit Gewehr. Kein Wunder, dass sich die Generation von Picasso so inspiriert fühlte, als afrikanische Beutekunst Anfang des 20. Jahrhunderts in den Museen auftauchte.
Am Abend sitze ich zu Hause am Tisch und koloriere die Zeichnung, während Alice Weidel in der Sendung von Caren Miosga sitzt. Das garstige Gezeter von Alice Wedel aus dem Fernseher macht mich noch müder. Zum Glück haben andere Leute so zahlreich gegen die AfD protestiert.