06.02.2025
Saufen gegen Antisemitismus!

Homestory #06/2025

Erneut ist die Neuköllner Programmschänke Bajszel zur Zielscheibe eines antisemitischen Angriffs geworden. Solidarität muss flüssig werden, kann es in diesem Fall nur heißen.

Die Programmschänke »Bajszel« in Berlin-Neukölln ist vergangene Woche erneut angegriffen worden. Das passiert seit dem 7. Oktober 2023 regelmäßig. Einigen ist ihre antisemitismuskritische Ausrichtung ein Dorn im Auge.

Die Jungle World hingegen verbindet eine besondere Freundschaft mit der Programmschänke. Exakt ein Jahr vor dem Hamas-Massaker lud Ihre Lieblingszeitung zum allerersten Mal zur »Jungle Bar« ins Bajszel ein, um über die Hintergründe des russischen Angriffs auf die Ukraine zu diskutieren.

Die Jungle World verbindet eine besondere Freundschaft mit der Programmschänke Bajszel.

Ein Kollektivmitglied erinnert sich an den Abend, bei dem ein Redner aus Kiew zugeschaltet war. Zwar habe es technische Probleme gegeben, die hätten aber nicht daran gelegen, dass es in Kiew »regelmäßig Luftangriffe und Stromausfälle gab«, sondern am Laptop der Jungle World. Nur dank der sachkundigen Unterstützung des Bajszel-Teams habe die Live-Schaltung doch noch funktioniert. »Ich kann mir kaum einen besseren Ort für regelmäßige Veranstaltungen vorstellen.« Knapp zweieinhalb Jahre später lädt die Jungle World immer noch einmal im Monat zu Politik, Bier und eingelegtem Käse in Neukölln ein.

In den Jahren wurden Weihnachtsfeiern und Geburtstage gemeinsam im Bajszel gefeiert. Manche Kollektivmitglieder standen sogar schon hinter dem Tresen, andere trafen sich in der Schänke zum gemeinsamen Lesen. Ewiger Dank gebührt Alex, einem der Betreiber, für seine tatkräftige Unterstützung bei unserem Aufenthalt in Marseille vergangenen Jahres. Ohne ihn wäre die Auslandsausgabe nicht das, was sie letztlich geworden ist. Und »was wäre Berlin bloß ohne das Bajszel«, fragt eine Redakteurin und nennt die Antwort gleich mit: »nur halb so lebenswert«.

»Die meisten Abende sind so nett, dass meine Erinnerung daran bedauerlicherweise lückenhaft ausfällt«, fasst ein Kollektivmitglied zusammen und schiebt es auf das süffige Helle des Bayreuther Brauhauses, das im Bajszel ausgeschenkt wird. Sowieso stößt das kulinarische Angebot auf große Begeisterung in den Redaktionsräumen. Ein Kollege schwärmt vom »Hermelin mit Musik«, würzig eingelegtem Weichkäse. Für ihn das absolute Highlight. »Den bestell’ ich jedes Mal, wenn ich da bin.«

Das Bajszel führt zusammen

Das Bajszel führt zusammen. »Gerade am Anfang habe ich viele Autoren von uns über Abende im Bajszel kennengelernt«, berichtet eine Redakteurin. Leute, mit denen man sonst nur per E-Mail zu tun hatte, konnte man plötzlich im echten Leben kennenlernen. »Ich hab da mal einen Autor beschimpft, dass er mir nie antwortet«, erinnert sich eine andere. »Ich bin dann betrunken vom Stuhl gefallen und nach Hause gegangen.« Am nächsten Tag habe sie sich per Mail entschuldigt. Besagter Autor habe diesmal zwar geantwortet, konnte sich an den Vorfall allerdings gar nicht mehr erinnern.

Bei all den Anekdoten wird einem anderen Kollektivmitglied bewusst, »dass ich da viel zu selten hingehe und das mal ändern sollte!« Wer das ähnlich empfindet, kann am Freitag Berichten aus Syrien lauschen und anschließend seine Unterstützung am Tresen zeigen. Solidarität muss flüssig werden!