06.02.2025
In Margot Douahiys Krimi »Verbrannte Gnade« geht es heiß her

Fiebertraum einer Nonne

In »Verbrannte Gnade«, dem Auftaktband der Krimireihe um die ­unwahrscheinliche Ermittlerin Schwester Holiday Walsh, glühen nicht nur die Zigaretten der Kette rauchenden Gottesbraut.

Im ersten Kapitel von Margot Douaihys Kriminalroman »Verbrannte Gnade« macht Schwester Holiday Walsh gerade Pause und raucht eine Kippe, als sie bemerkt, dass der Ostflügel der katholischen Schule St. Sebastian in New Orleans in Flammen steht. Sie eilt zum Gebäude, als jemand aus einem Fenster im ersten Stock stürzt. »Ein in Flammen stehender Körper fiel aus dem ersten Stock des brennenden Ostflügels und schlug auf dem Boden auf wie eine zornige Faust.« Der Körper »versengte das Gras, seine Gliedmaßen waren ausgestreckt – die erschütternde Haltung einer zertretenen Kakerlake. Sein verbranntes Fleisch roch stechend und furchtbar süßlich.«

Es ist ein fulminanter und brutaler Einstieg in einen Krimi, der zugleich als Auftakt einer geplanten Reihe um die Ermittlerfigur Schwester Holiday fungiert, eine rauchende, lesbische, tätowierte, katholische Punkrock-Nonne aus Brooklyn mit einer dunklen Vergangenheit. »Gold­zahn nach einer Kneipen­schlägerei, schwarzes Halstuch und Handschuhe zum Verdecken meiner Tattoos, schwarze Ansätze unter schlecht blondierten Haaren«, lautet die Selbstbeschreibung der Figur.

Schauplatz ist New Orleans, das Douaihy als einen Schmelztiegel der Subkulturen beschreibt: üppig und farbenfroh, aber zugleich morbide und von unerträglicher Hitze gelähmt. Die Stadt ist wie ein subtropischer Fiebertraum, in dem ein Mann einen Alligator an der Leine führt und funktionierende Klimaanlagen so rar sind, dass Holiday aufstöhnt: »Heilige Maria, Mutter Gottes. Gib, dass es im Leben nach dem Tod Klimaanlagen und heiße Frauen gibt.« Damit wird die widersprüchliche Stadt zur perfekten Kulisse für die Ermittlungen der unwahrscheinlichen Nonne.

Douaihys Sympathie gilt dem Milieu der wirtschaftlich Schwachen, die oftmals an einer korrupten Polizei und Justiz sowie an Drogen und Mutlosigkeit scheitern.

»Es heißt, wenn man es in New York schafft, schafft man es überall. Dabei ist die eigentliche Feuerprobe New Orleans. Die Heimat von Wundern und Fluchen – weder Leben noch Tod, sondern beides. An einem solchen Ort, der einer Schwelle gleicht, als würde man in einer offenen Tür stehen, konnte man drinnen oder draußen sein, verdammt oder erlöst«, sinniert Holiday an einer Stelle. Die permanente Erschöpfung durch die Schwüle ist so detailliert und intensiv beschrieben, dass sie beim Lesen fast spürbar wird und das Tempo der Erzählung beinahe zum Stillstand bringt.

Schwester Holiday ist eine »echte Gläubige, auch wenn ich nicht so aussah«. Sie testet die Grenzen der Regeln des Ordens zwar immer wieder aus, doch ihr Glaube an Gott und die Kirche ist aufrichtig und kompromisslos. Sie zweifelt ausschließlich an sich selbst: »Gott urteilte nie so streng über mich wie ich selbst.« Während sie die Rituale und die Ordnung der katholischen Kirche liebt, hegt sie eine tiefe Abneigung gegen die Kontrolle durch »die Diözese«, verkörpert durch den Bischof und seine beiden Vikare. Männer, die ihrem Orden, den Schwestern vom Erhabenen Blut, mit Argwohn begegnen. »Diese unheilige Dreifaltigkeit nannten wir die Diözese, obwohl damit üblicherweise ein Gebiet gemeint ist. Eine Region der Intoleranz.«

Im Kontrast dazu orientieren sich Holidays Orden und die Arbeit der Schwestern in der Gemeinde an der katholischen Soziallehre, in der Prinzipien wie Solidarität mit den Armen und Ausgegrenzten, Nachhaltigkeit und Gemeinwohl im Vordergrund stehen. Etwa wenn sie im Frauengefängnis inhaftierte Schwangere und Mütter besuchen, um sie zu unterstützen, mit ihnen zu beten und – im Falle Holidays – gemeinsam Punkrocksongs einzuüben. »Verletzte Menschen verletzen Menschen. Und geheilte Menschen heilen Menschen.«

Douaihys Sympathie gilt dem Milieu der wirtschaftlich Schwachen

In der Erzählung schimmern auch immer wieder die Folgen der Katastrophe des Hurrikans Katrina durch, der die Stadt im Jahr 2005 verwüstet und überschwemmt hat. Mehr als 1.800 Menschen starben, vor allem die arme Bevölkerung wurde schwer getroffen und leidet immer noch. Douaihys Sympathie gilt dem Milieu der wirtschaftlich Schwachen, die oftmals an einer korrupten Polizei und Justiz sowie an Drogen und Mutlosigkeit scheitern.

Der Sturz der Person aus dem brennenden Gebäude, bei der es sich um den Hausmeister der Ordensschule handelt, markiert den Beginn einer Serie von Brandstiftungen, und Schwester Holiday – unzufrieden mit der Arbeit der Ermittlungsbehörden – beginnt, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Magnolia Riveaux, die erste schwarze weibliche Brandermittlerin in New Orleans und opioidabhängige Überlebende häuslicher Gewalt sowie Opfer institutioneller Diskriminierung, versucht erfolglos, Holiday von den Ermittlungen fernzuhalten. Die beiden entwickeln eine von Sarkasmus geprägte, aber loyale Freundschaft und es macht großen Spaß, ihnen bei der Arbeit zuzusehen. Holiday ist mutig, aber auch unvorsichtig und behindert Riveaux’ Ermittlungen mehr, als dass sie hilft.

Das Mysterium um die Täterschaft der Brandstiftungen tritt aber ohnehin in den Hintergrund, denn das spannendere Rätsel des Romans ist, was Holiday überhaupt in das Kloster nach New Orleans verschlagen hat – ihre schmerzhafte Geschichte wird im Verlauf des Romans nach und enthüllt. Die Figuren aus ihrer New Yorker Vergangenheit sind dabei detaillierter ausgearbeitet als jene, die sie in der Gegenwart trifft. Ihr schwuler Bruder Moose etwa ist ein traumatisierter Überlebender eines homophoben Hassverbrechens. Ihre Mutter, sterbenskrank und strenggläubig, lehnt die Homosexualität ihrer Kinder kategorisch ab. Ihr Vater, ein prinzipientreuer und hochdekorierter Cop, hat sich von ihr abgewandt. Und Nina, ihre große Liebe, ist mit einem Mann verheiratet.

Licht in eine dunkle Welt bringen

Man kann Holidays Erleichterung nachempfinden, endlich einen Weg gefunden zu haben, ihr Leben und ihre Widersprüche zu ordnen. An einer Stelle reflektiert sie: »Was mich zu den Schwestern vom Erhabenen Blut gezogen hatte – abgesehen von der Tatsache, dass sie das einzige Kloster in Nordamerika waren, von dem ich glaubte, dass es mich als Kandidatin in Betracht ziehen würde –, war ihr Leitspruch: Licht in eine dunkle Welt bringen. Von der dunklen Welt hatte ich genug gesehen, aber Schwester Augustine gab mir das Gefühl, willkommen zu sein.«

Im Verlauf des Romans zeigt sich, dass Holidays Leben im Kloster ein Akt der Buße ist, was aber nicht heißt, dass ihre Entscheidung, als Nonne zu leben, an Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit verlieren würde. Als Nina plötzlich in New Orleans auftaucht, wird ihr Zölibatsversprechen auf eine harte Probe gestellt. Aber Holiday steht zu ihrem Gelübde. »Das ist kein Witz«, sagt sie zu Nina. »Ich habe mich verändert.« In einer Rückblende schildert Douaihy den Sex der beiden genauso bildhaft und schnörkellos wie die Hitze von the Big Easy.

Auch wenn »Verbrannte Erde« kaum als klassischer Krimi funktioniert – und Douaihy arg schnell über die Einwände hinweggeht, die eine lesbische Punkerin gegen die katholische Glaubenslehre vorbringen könnte –, ist das Debüt eine gelungene Erzählung über Vertrauen, Nächstenliebe und darüber, was es bedeutet, seine Versprechen zu halten.

Die Stärke des Krimis liegt in der Schilderung von Holidays inneren Konflikten und Kämpfen gegen ihre eigenen Dämonen. »Ich hatte mir solche Mühe gegeben, Menschen in mein neues Leben zu lassen. Aber wenn man sich selbst nicht kennt oder vertraut, wie soll man dann von anderen etwas Positives annehmen?«

Auch wenn »Verbrannte Erde« kaum als klassischer Krimi funktioniert – und Douaihy arg schnell über die Einwände hinweggeht, die eine lesbische Punkerin gegen die katholische Glaubenslehre vorbringen könnte –, ist das Debüt eine gelungene Erzählung über Vertrauen, Nächstenliebe und darüber, was es bedeutet, seine Versprechen zu halten. Man bleibt gespannt zurück, welche Fälle Schwester Holiday als Nächstes lösen wird: Die deutsche Übersetzung des zweiten Bands, »Gesegnete Wasser«, ist bereits angekündigt.


Buchcover

Margot Douaihy: Verbrannte Gnade. Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Kemper. Blumenbar-Verlag, Berlin 2024, 346 Seiten, 23 Euro