06.02.2025
Regierungskrise auf den ­Philippinen

Familienfehde im Staatsapparat

Auf den Philippinen streiten sich der Präsident und die Vizepräsidentin, die den beiden mächtigen Dynastien des Landes angehören. Derweil steht es um die Wahrung der Menschenrechte im Inselstaat weiterhin schlecht.

Der philippinische Präsident Ferdinand »Bong Bong« Marcos Jr. und seine Vizepräsidentin Sara Duterte führen im neuen Jahr ihren seit Monaten öffentlich ausgetragenen Machtkampf weiter. Am Freitag vergangener Woche protestierten Tausende für eine Absetzung Dutertes, bereits Mitte Januar hatten in dem mehrheitlich christlichen Land fast 1,6 Millionen Anhänger der christlichen Religionsgemeinschaft Iglesia ni Cristo gegen die drohende Amtsenthebung Dutertes demonstriert. Anfang Februar lagen drei parlamentarische Anträge vor, die fordern, Duterte aus ihrem Amt zu entfernen. Marcos Jr. selbst hatte verlauten lassen, an ihm liege es nicht, dass es Verzögerungen gibt – schließlich habe er keinerlei Veranlassung, seine Stellvertreterin zu schützen. Dennoch forderte er den Kongress auf, das Amtsenthebungsverfahren gegen Duterte nicht weiterzuverfolgen, und nannte es einen »Sturm im Wasserglas«, der die Legislative von ihren eigentlichen Aufgaben ablenke. Am Mittwoch stimmte schließlich ein Drittel der Mitglieder des Repräsentantenhauses für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahren. Grundlage des Antrags sind insbesondere Vorwürfe, die sich auf Dutertes Zeit als Bildungsministerin beziehen, als beträchtliche Geldsummen angeblich in dunklen Kanälen versickerten oder zweckentfremdet eingesetzt wurden.

Marcos Jr. hält zur Hälfte seiner sechsjährigen Amtszeit unangefochten an der Macht fest. Doch die Zwischenwahlen gelten als Stimmungstest für die Popularität des Präsidenten.

Im Juni 2024 war Bildungsministerin Duterte ohne Angabe von Gründen aus dem Kabinett von Marcos Jr. zurückgetreten. Zum Jahresausklang ging das Zerwürfnis so weit, dass Duterte meinte, ein Mordkomplott gegen sich ausgemacht zu haben, und verkündete, einen Killer angeheuert zu haben, um Marcos Jr., seine Frau, First Lady Liza Araneta, sowie seinen Cousin, den Präsidenten des Repräsentantenhauses, Martin Romualdez, umzubringen, sofern ihr etwas »passieren« sollte. Mittlerweile stellt Duterte es so dar, dass diese Drohung nicht ernst gemeint gewesen sei. Das Gespann aus Marcos Jr. und Sara Duterte war vor drei Jahren siegreich aus den Präsidentschaftswahlen hervorgegangen. Der Präsident und der Vizepräsident werden auf den Philippinen getrennt gewählt, so dass die beiden Kandidaten aus verschiedenen politischen Parteien kommen können. Für die Wahlen 2022 bildeten Marcos und Duterte eine Wahlallianz, die sie Uniteam nannten. Doch von der einstigen Geschlossenheit ist nichts mehr übrig, ganz im Gegenteil: Die beiden attackieren einander verbal heftig.

Am 12. Mai sollen Zwischenwahlen stattfinden, bei denen alle 317 Sitze des Repräsentantenhauses sowie die Hälfte der 24 Senatssitze neu gewählt werden. Die Senatoren haben eine Amtszeit von sechs Jahren, allerdings werden alle drei Jahre zwölf Senatoren neu gewählt, während die anderen zwölf ihre Amtszeit fortsetzen. Außerdem sollen in allen Provinzen, Städten und Gemeinden des Landes Kommunalwahlen für die Exekutive und Legislative abgehalten werden. Marcos Jr. hält zwar zur Hälfte seiner sechsjährigen Amtszeit noch unangefochten an der Macht fest. Doch die Zwischenwahlen gelten als Stimmungstest für die Popularität des Präsidenten und zumeist als der geeignete Zeitpunkt, um Loyalitäten und politische Allianzen neu zu bestimmen.

Die Politik der Philippinen wird vor allem von einer Reihe einflussreicher Familien samt Gefolge bestimmt. Marcos Jr. gehört zu einer dieser Familien und ist der Sohn des Diktators Ferdinand Marcos, der 1986 nach 21jähriger Herrschaft von einer Bürgerprotestbewegung – der sogenannten EDSA-Revolution, benannt nach der zehnspurigen Straße Epifanio de los Santos Avenue bei Manila, auf der die größten Demonstrationen stattfanden – mit Unterstützung der Armeeführung gestürzt wurde.

Tausende angeblicher Drogendealer getötet

Die Vizepräsidentin Sara Duterte ist die Tochter des höchst umstrittenen Amtsvorgängers von Marcos Jr., Rodrigo Duterte, in dessen Regierungszeit von 2016 bis 2022 im Zuge seines »Kriegs gegen Drogen« Tausende angeblicher Drogendealer getötet wurden. Die Familie Marcos sitzt im mittleren Norden der Hauptinsel Luzon, die Dutertes wiederum inszenieren sich seit vielen Jahren als eine Art königliche Familie in Davao, der größten Stadt auf Min­da­nao, der zweitgrößten Insel der Philippinen im Süden. Dort ist seit 2022 Sebastian Duterte Bürgermeister – davor bekleideten bereits seine Schwester Sara und jahrelang Vater Rodrigo das Amt.

Der Streit zwischen den beiden konservativen Lagern, dem um Marcos (Generalsekretär der Partido Federal ng Pilipinas) und dem um Duterte (bis 2023 Generalsekretärin von Lakas-CMD, der Partei mit der derzeit größten Fraktion im Repräsentantenhaus), überlagert vielfach die Tatsache, dass sich in Sachen Achtung der Menschenrechte seit dem Amtsantritt von Marcos Jr. kaum etwas zum Besseren entwickelt hat.

Das bekräftigt Ephraim Cortez von der National Union of Peoples‘ Lawyers (NUPL), der seit 1996 als Jurist tätig ist und 2007 zu den Mitgründern der Organisation von Menschenrechtsanwälten gehörte: Unter Marcos Jr. setze sich die Repression gegen progressive Kräfte in der Gesellschaft fort. »Nach dem Ende der Duterte-Ära hat sich zwar die Zahl der Toten in Zusammenhang mit dessen Antidrogenkrieg, geschätzt 30.000 Zivilisten, reduziert. Doch allgemein sind in Sachen Repression die großen Strukturen unter seinem Nachfolger Marcos Jr. immer noch in Kraft«, sagte Cortez der Jungle World. Daran, wie man mit Widerspruch umgehe, habe sich nur wenig verändert.

Umweltschützer entführt

Unter anderem das sogenannte red-tagging halte nahezu ungebrochen an. Damit ist gemeint, dass Umweltschützer, Studentenführer, Menschenrechtler und allgemein unliebsame »Aufmüpfige« als angebliche Unterstützer der von der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) angeführten Guerilla National People’s Army (NPA) gebrandmarkt werden. »Im November 2023 wurden zwei Umweltschützer entführt. Auch von zwei Anwälten aus der Region Bicol fehlt noch immer jede Spur«, sagte Cortez.

Für Menschenrechtsanwälte, gerade in abgelegeneren Provinzen, bleibe die Arbeit lebensgefährlich. Verschärfend komme hinzu, dass aus dem Parlament kaum gegen solche Praktiken opponiert werde. »Es hat ja Tradition, dass ein amtierender Präsident eine breite parlamentarische Mehrheit hinter sich hat, weil sich viele Abgeordnete der Macht andienen«, sagte Cortez. Dass sich am gegenwärtigen Zustand bald etwas ändern wird, hält er für unwahrscheinlich.