06.02.2025
Salwan Momika, der in Schweden Exemplare des Koran verbrannte, wurde ermordet

Fünf Schüsse in der Raucherpause

Salwan Momika, der wegen Koranverbrennungen in Schweden international für Aufsehen gesorgt hatte, wurde ermordet – einen Tag bevor das Urteil gegen den wegen Volksverhetzung Angeklagten ergehen sollte.

Bis er am 29. Januar von Unbekannten erschossen wurde, war es recht ruhig geworden um den Iraker Salwan Momika, der in der internationalen Presse meistens als »der Koranverbrenner« bezeichnet wurde. Dass er sich ausgerechnet in den Stadtteil Hovsjö der schwedischen Provinzstadt Södertälje zurückgezogen hatte, um von dort aus täglich auf Tiktok gegen den Islam zu wettern, löste allerdings einige Verwunderung aus.

Seit die schwedische Polizei im Jahr 2015 erstmals sogenannte gefährdete Gebiete auswies, steht Hovsjö auf der entsprechenden Liste. Zudem wurde das Viertel, in dessen charakteristischen ockerbraunen Plattenbauten rund 6.000 Menschen wohnen, innerhalb von fünf Jahren zweimal hochgestuft; seither wird es in der höchsten Kategorie als »besonders gefährdetes Gebiet« aufgeführt. Diese Gebiete sind von hohen Kriminalitätsraten, Parallelgesellschaften, Ablehnung rechtsstaatlicher Strukturen sowie gewaltätigem religiösem Extremismus geprägt.

In Gerichtsakten stand, Momika habe sich weitgehend isoliert und aufgrund der Bedrohungen gegen ihn unter falscher, geheim gehaltener Identität gelebt.

Nach außen gab sich Momika furchtlos und selbstsicher, täglich ging er auf Tiktok live und agitierte gegen den Islam. Exemplare des Koran verbrannte er hingegen nur noch selten. Am Neujahrstag 2025 verkündete er lachend in seinem Livestream, ein libanesisches Medium habe vorhergesehen, dass er im Jahr 2024 sterben werde, und forderte seine Zuschauer auf: »Sagt ihm, dass ich lebe und den Kampf gegen den Islam fortsetzen werde«.

Insgeheim machte sich Momika aber wohl doch große Sorgen um seine Sicherheit, denn durch die von ihm demonstrativ betriebenen Koranverbrennungen war er nicht nur in Schweden bekannt und verhasst. 2023 hatte eine seiner Aktionen dazu geführt, dass unter anderem die schwedische Botschaft in Bagdad gestürmt wurde, Marokko seinen Botschafter aus Schweden abberief und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan verkündete, den schwedischen Nato-Beitritt verhindern zu wollen.

Ein Schuss und ein Schrei im Stream

Mehr als 2.000 Zuschauer verfolgten am 29. Januar, einen Tag vor der geplanten Urteilsverkündung im Gerichtsverfahren wegen Volksverhetzung, das gegen Momika lief, seinen letzten, wie immer per Handy gefilmten Livestream auf Tiktok. Einige sagten übereinstimmend aus, dass er eine kurze Raucherpause angekündigt habe, dazu ging er üblicherweise auf seinen Balkon. Im weiterlaufenden Stream seien dann ein Schuss und ein kurzer Schrei zu hören gewesen, gefolgt von vier weiteren Schüssen. Um elf Minuten nach 23 Uhr wurde die Polizei von Södertälje informiert, im Stream war zu sehen, wie Beamte die Wohnung betraten, über den möglichen Einsatz eines Defibrillators sprachen und dann Momikas Handy entdeckten und ausschalteten.

Kurz darauf wurde bekannt, dass die Polizei fünf Männer als Tatverdächtige verhaftete hatte, die sich in der Nähe des Tatorts vor dem Haus aufgehalten hatten. Sie seien allesamt nicht polizeibekannt und es gebe keine Indizien für eine Tatbeteiligung, sagten die Ermittlungsbehörden einen Tag später.

Bis dato war in den meisten Medien davon ausgegangen worden, dass die Streams mehr Einzelheiten über Momikas Wohnort verraten haben könnten, als ihm bewusst war. Neben der charakteristischen Farbe der Häuser in Hovsjö gab es nämlich noch eine Besonderheit, denn derartige Dachwohnungen mit großem Balkon, wie Momika sie bewohnte, gibt es dort nur unter seiner Wohnadresse. Um das zu überprüfen, reicht ein Blick auf Google Maps.

Verfahren eingestellt

Er habe, wie andere auch, immer gewusst, dass Momika in Hovsjö wohne, sagte einer der nicht mehr Tatverdächtigen in einem Interview im schwedischen Fernsehen. Bleibt die Frage, wer von wo aus auf Momika schoss.

Die schwedische Tageszeitung Aftonbladet konnte nach dem Mord Einblick in die Gerichtsakten nehmen. Darin heißt es, Momika habe sich weitgehend isoliert und aufgrund der Bedrohungen gegen ihn unter falscher, geheim gehaltener Identität gelebt. Aus einem in den Gerichtsakten enthaltenem Bericht des Justizvollzugsdienstes geht außerdem hervor, dass Momika zu einem von Aftonbladet nicht genannten Zeitpunkt misshandelt wurde.

Der Bericht kommt zu dem abschließenden Befund, dass es »wenig wahrscheinlich« sei, dass Momika es in Zukunft riskieren werde, seine Gefährdung durch Taten wie die, »wegen derer er jetzt angeklagt ist, weiter zu verschärfen«. Aus Sicherheitsgründen sei eine Verurteilung zu gemeinnütziger Arbeit im Übrigen nicht geboten, empfohlen wurde vielmehr eine Geldstrafe. Nach dem Mord an Momika wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt.