13.02.2025
Die kurze Geschichte der AfD ist geprägt von zahlreichen antisemitischen Entgleisungen

Der blinde Fleck

Kritik an der AfD üben viele. Die antisemitischen Skandale der Partei bleiben dabei häufig unerwähnt.

Geht es um die kritische Auseinandersetzung mit der AfD, nimmt Michel Friedman kein Blatt vor den Mund. Als er bei einer Gedenkfeier des saarländischen Landtags anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz ans Mikrophon trat, warnte der jüdische Publizist nicht nur vor einer Zunahme des Antisemitismus, sondern fand einmal mehr deutliche Worte zum Aufstieg der Partei. »Jeder fünfte Deutsche wählt eine Partei, die sagt, einige Menschen sind niemand«, kritisierte Friedman und bezeichnete die AfD als eine »Partei des Hasses, die sich demokratisch nennt und die Demokratie vernichten will«.

Das war zu viel für den AfD-Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr, der die Rede Friedmans mit einem Zwischenruf störte und anschließend den Saal verließ. »Vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wenn Sie auch mal zuhören und den Raum nicht verlassen würden«, schickte ihm Friedman unter lautem Beifall hinterher.

Rechter Shitstorm gegen Charlotte Knobloch

Nicht zum ersten Mal sorgte die AfD bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der Shoah für einen Eklat. Immer wieder blieben AfD-Parlament­arier:innen solchen Feiern demonstrativ fern oder sorgten mit Störungen und Zwischenrufen für Schlagzeilen. Als 2019 die Präsidentin der Israelischen Kultusgemeinde München und ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, der AfD in ihrer Rede zum Holocaust-Gedenktag im bayerischen Landtag vorwarf, die demokratischen Werte verächtlich zu machen, die Verbrechen der Nationalsozialisten zu verharmlosen und enge Verbindungen in die extreme Rechte zu unterhalten, verließ ein Großteil der AfD-Fraktion unter Protest den Saal.

Selbst die AfD-Bundesführung meldete sich anschließend zu Wort. »Charlotte Knobloch hat sich wirklich nicht entblödet, im Bayerischen Landtag eine Gedenkveranstaltung für geschmacklose Parteipolitik zu missbrauchen. Wie tief muss man sinken?« schrieb Alice Weidel auf Facebook. Anschließend war Knobloch einem rechten Shitstorm und heftigen Drohungen ausgesetzt. »Seitdem erreichen mich beinahe im Minutentakt wüste Beschimpfungen, Drohungen und Beleidigungen per ­E-Mail und Telefon«, berichtete sie der Augsburger Allgemeinen Zeitung.

Während sich die AfD als »Garant jüdischen Lebens in Deutschland« präsentiert, attackiert sie immer wieder prominente Vertreter:innen jüdischen Lebens, die dem widersprechen.

Während sich die AfD im Bundestag gerne als »Garant jüdischen Lebens in Deutschland« präsentiert und von sich selbst als »Deutschlands einzigem großen Bollwerk gegen Antisemitismus« spricht, attackiert sie immer wieder prominente Vertreter:innen jüdischen Lebens, die dem widersprechen. Wie Knobloch zogen in der Vergangenheit bereits Anetta Kahane, die Gründerin der Amadeu-Antonio-Stiftung, der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, und der Pianist Igor Levit den Zorn der AfD auf sich.

Als der streitbare ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, 2019 die AfD scharf kritisierte und ankündigte, das Land zu verlassen, sollte die Partei Teil einer Regierungskoalition werden, überschütteten Vertreter:innen der AfD ihn mit Hass und Häme. Der damalige AfD-Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann griff dabei auf klassische antisemitische Bildsprache zurück und postete auf Twitter ein Foto Friedmans mit dem Kommentar: »Der ewige Friedman!« Manche sahen die Auswanderung Friedmans gar als Werbeargument für die AfD. So verkündete der stellvertretende Vorsitzende der Jungen Alternative und Pressesprecher der Partei im Europaparlament, Tomasz Froelich, nachdem die AfD in Thüringen Thomas Kemmerich kurzzeitig in die Regierung gehievt hatte, auf Twitter triumphierend: »Die Auswanderung Michel Friedmans rückt näher.«

Kurze AfD-Geschichte geprägt von zahlreichen einschlägigen Skandalen

»Unter großer Zustimmung auf AfD-Foren und in den flankierenden Kommentarspalten der sozialen Me­dienkanäle werden Jüdinnen und Juden rekurrierend zur Zielscheibe, auch unter kaum oder gar nicht camoufliertem Rückgriff auf antisemitische Stereotype und Bilder«, konstatierte der Politikwissenschaftler Lars Rensmann, der in seiner Studie »Die Mobilisierung des Ressentiments« den Antisemitismus der AfD unter die Lupe nimmt.

Die Angriffe auf prominente Jüd:in­nen sind jedoch nur der deutlichste Ausdruck des der Partei innewohnenden Antisemitismus. Zwar will die AfD in Anbetracht der deutschen Verantwortung für den millionenfachen Mord an den europäischen Juden und Jüdinnen und der damit verbundenen Ächtung des offenen Antisemitismus in weiten Teilen der Öffentlichkeit partout nicht als antisemitische Partei gelten. Trotzdem ist ihre kurze Geschichte geprägt von zahlreichen einschlägigen Skandalen.

Immer wieder teilten AfD-Politi­ker:innen in sozialen Medien antisemitische Karikaturen, verbreiteten ­antisemitische Verschwörungstheorien oder relativierten die Verbrechen des Nationalsozialismus. Außenpolitisch strebt die Partei das Bündnis mit israelfeindlichen Despotien wie dem Mullah-Regime in Teheran an.

»Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?«

Als Corona-Leugner:innen mit antisemitischen Symbolen, Codes und Verschwörungsmythen auftraten, diente sich die AfD der Bewegung bald als politisches Sprachrohr an. Nachdem 2019 am höchsten jüdischen Feiertag Yom Kippur der rechtsextreme Terrorist Stephan Balliet erfolglos versucht hatte, schwerbewaffnet in die Synagoge von Halle einzudringen, und anschließend willkürlich zwei Menschen ermordet hatte, verharmloste die AfD die antisemitische Gewalttat.

Der stellvertretende Bundessprecher der Partei, Stephan Brandner, zu dieser Zeit Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, teilte auf Twitter einen Beitrag mit der Frage: »Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen rum?« Schließlich seien ja »Deutsche« zum Opfer des »Amokläufers von Halle« geworden. Der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Roland Ulbrich tat den Angriff auf die Synagoge als »Sachbeschädigung« ab, bei dem »noch nicht einmal der Versuch eines Tötungsdelikts an den Besuchern des Gottesdienstes in der Synagoge« vorliege: »Was ist schlimmer, eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?«

In der öffentlichen Betrachtung der AfD spielen die antisemitischen Ausfälle der Partei hingegen kaum eine Rolle. In den zahlreichen gegen die AfD gerichteten öffentlichen Stellung­nahmen von Verbänden, Gewerkschaften oder zivilgesellschaftlichen Insti­tutionen vor der Bundestagswahl sucht man einen Hinweis auf den Antise­mitismus der Partei meist vergeblich. Selbst bei den Kundgebungen und ­Demonstrationen gegen die Zusammenarbeit von Konservativen und Liberalen mit der AfD im Deutschen Bundestag finden die antisemitischen Skandale, die die Partei seit ihrer Gründung begleiten, nur selten Erwähnung.

Einmal mehr – wie so oft in der ­Vergangenheit – bildet der Antisemitismus den blinden Fleck des Antifaschismus.