13.02.2025
Zwei Bundestagskandidaten warben in Berlin um deutsch-arabische Wähler

Die »Kriegsparteien« machten blau

Die Bundestagskandidaten Ferat Koçak (Linkspartei) und Michael Lüders (BSW) warben am Samstag bei einer Veranstaltung am Berliner Landwehrkanal um Stimmen. In einem Punkt zeigten sich die Konkurrenten einig: Israel und der »Genozid« in Gaza.

Das Interesse hielt sich offenbar in Grenzen. Obwohl in Berlin die größte arabische Community Deutschlands lebt, kamen am Samstag nur rund 50 Interessierte in einem Veranstaltungsraum am Landwehrkanal zusammen, um »deutsch-arabische Wahlforderungen« mit Bundestags­kandidat:in­n en zu diskutieren.

Die politischen Vertreter glänzten ebenfalls mit Abwesenheit, was zu einigem Unmut bei einem der Veranstalter führte. Während die CDU gar nicht auf eine Anfrage reagiert habe, hätten die Grünen ein paar Tage vorher abgesagt; die SPD habe sogar erst Minuten nach Beginn der Veranstaltung ihre Absage erteilt. Er bezeichnete diese Parteien als »Feiglinge«. Es seien schließlich viele extra gekommen, um die »Kriegsparteien« mit Fragen zu konfrontieren.

Friedliche Koexistenz der Antizionisten

Organisiert wurde die Veranstaltung von der Initiative »Unsere Stimme zählt«, die sich zum Ziel setzt, »Wahlforderungen der deutsch-arabischen Wählerinnen und Wähler« im Wahlkampf »stark zu machen«. Der Einladung gefolgt waren nur Ferat Koçak von der Linkspartei und Michael Lüders vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Koçak ist Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und versucht derzeit mit einem aufwendigen Türwahlkampf, als Direktkandidat in Berlin-Neukölln in den Bundestag einzuziehen. Der in deutschen Medien als »Nahost-Experte« geltende Lüders gehört dem erweiterten Parteivorstand des BSW an und ist Spitzenkandidat seiner Partei für Sachsen-Anhalt.

»Ich würde vom Genozid reden, nicht vom Krieg in Gaza.« Ferat Koçak

Die beiden Politiker schienen an dem Abend lange um friedliche Koexistenz bemüht. Während Koçak konkrete Forderungen präsentierte, darunter die Enteignung großer Wohnungsbauunternehmen, die Einführung eines Beauftragten für »antimuslimischen Rassismus« und die Abschaffung des Kopftuchverbots – welches genau gemeint war, präzisierte er nicht, für Lehrerinnen gilt ein solches Verbot in Berlin nicht mehr –, zeigte sich Lüders, dessen »Weg in den Orient« über die Lektüre »Karl Mays« geführt habe, von der pragmatischen Seite. Die Idee der Verstaatlichung finde er zum Beispiel »sympathisch«, aber »wenn wir ehrlich sind, wissen wir alle, dass das nicht passieren wird«, sagte er.

Die größte inhaltliche Übereinstimmung zeigten beide bei ihren Positionen zum Krieg zwischen Israel und der Hamas. »Ich würde vom Genozid reden, nicht vom Krieg in Gaza«, sagte Koçak und erntete viel Applaus. Er kritisierte, dass die Besucher von palästinensischen Demonstrationen von der Bild-Zeitung als »Antisemiten« und »Hamas-Anhänger« bezeichnet würden.

Für Lüders sei es eine »Schweinerei«, dass Palästinenser nicht die Möglichkeit hätten, ihrer Stimme in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen, »weil mittlerweile jede Form der Kritik an Israel unter Antisemitismusverdacht« stehe. Selbst bei »harmlosesten Parolen« wie »Yallah, yallah, Intifada« sei die Polizei »dazwischengegangen«. Er forderte außerdem, dass man über »die Nakba genauso reden dürfen« müsse »wie über Auschwitz, ohne das eine mit dem anderen gleichzusetzen«.

Kritik an Koçak

Koçak musste aber auch Kritik einstecken. Ein im Publikum sitzender Vertreter eines palästinensischen Vereins warf ihm und der Neuköllner Linkspartei während der Fragerunde vor, ihn und seine Leute »in Verlegenheit« zu bringen: Selbst als Koçaks Landespartei in Berlin »an der Macht« war, seien schließlich Palästina-Demons­trationen verboten worden; und Parteimitglieder wie Ramsis Kilani, die sich »für Palästina einsetzen«, seien ausgeschlossen worden.

Kilani gehört verschiedenen trotzkistischen Kleingruppen wie »Sozialismus von unten« an, die insbesondere im Neuköllner Verband der Linkspartei einigen Einfluss aufgebaut haben. Er wurde im Dezember aus der Partei ausgeschlossen, nachdem er lange öffentlich die Hamas unterstützt hatte, etwa mit den Worten, deren Kämpfer seien »heldenhaft selbstaufopfernd die letzte Linie für Gazas Selbstverteidigung«.

»Keine Frage, Antisemitismus muss bekämpft werden, aber was ist Antisemitismus?« fragte der Vereinsvertreter rhetorisch. Doch an der Frage schien weder auf dem Podium noch im größtenteils Kufiyas tragenden Publikum großes Interesse zu bestehen.

Mietfrei bei Google

Die Veranstaltung fand in den schicken Loft-Räumen des »Bum« statt. Der Veranstaltungskomplex auf der Kreuzberger Seite des Landwehrkanals versteht sich als »Raum für solidarisches Miteinander«. Die Betreiber des »Bum« erhalten ihre insgesamt 3.000 Quadratmeter mietfrei vom Internetkonzern Google.

Seit einiger Zeit finden dort Veranstaltungen mit Vertretern antizionistischer Gruppen statt, wie der »Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost« und »PA Allies« – etwa Ende Januar die Podiumsdiskussion zu »Perspektiven auf den Zionismus«, wo man laut Ankündigungstext lernen konnte, dass Israel vorhabe, das »ganze Gebiet des historischen Palästinas mithilfe der Groß-Mächte zu kolonisieren und ein Groß-Israel zu errichten«.

Es gebe eine »Manipulation von Wahlumfragen« und einen »Versuch von Strippenziehern dahinter, dafür Sorge zu tragen, dass das BSW nicht in den Bundestag kommt, weil das BSW Sand ins Getriebe werfen würde«, sagte Michael Lüders.

Kurz vor dem Ende der Veranstaltung schienen Lüders die schlechten Umfragewerte seiner Partei in den Sinn gekommen zu sein und er wechselte in den Wahlkampfmodus. Es gebe eine »Manipulation von Wahlumfragen« und einen »Versuch von Strippenziehern dahinter, dafür Sorge zu tragen, dass das BSW nicht in den Bundestag kommt, weil das BSW Sand ins Getriebe werfen würde«.

Die Strippenzieher haben offenbar ein Herz für die Linkspartei, wenn man Lüders glauben kann: Man wolle »das BSW kleinreden, die Linke pushen«, meint er. Der Linkspartei warf er vor, eine »Kuschelpartei« zu sein, eine »grüne Partei light«.