Lieber gehen als gefeuert werden
Bukarest. Der rumänische Präsident Klaus Johannis ist am 12. Februar von seinem Amt zurückgetreten, aus dem er eigentlich schon im Dezember hätte ausscheiden sollen. Damit kam er einem gemeinsamen Antrag auf Amtsenthebung der drei rechtsextremen Oppositionsparteien in der Abgeordnetenkammer, der Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR), S.O.S. Rumänien und der Partei der jungen Menschen (POT), zuvor.
Die drei Parteien, die zusammen auf 115 Sitze von 331 im Unterhaus des Parlaments kommen, hatten bereits zweimal erfolglos versucht, ein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten, waren aber nicht auf die erforderliche Mehrheit gekommen. Das hätte sich im dritten Anlauf durch die angekündigte Zustimmung der konservativ-liberalen Oppositionspartei Union Rettet Rumänien (USR) ändern können. Selbst von Abgeordneten der Regierungskoalition, der auch die zentristische Nationalliberale Partei (PNL) angehört, deren Vorsitzender Johannis einst war, kam zuletzt deutliche Kritik an seinem Verbleib im Amt.
Hintergrund der politischen Krise in Rumänien ist die Annullierung der ersten Runde der Präsidentschaftswahl vom 24. November 2024, bei dem es um die Nachfolge Johannis’ ging. Völlig überraschend hatte diese der rechtsextreme und kremlfreundliche Călin Georgescu mit 22,9 Prozent der Stimmen gewonnen (Jungle World 49/2024).
Wöchentlich, eine Zeitlang sogar fast täglich, wurde in rumänischen Städten gegen die Annullierung des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahl, aber auch allgemein gegen die »politische Elite« demonstriert.
Das Verfassungsgericht allerdings ließ die Wahl am 6. Dezember annullieren und ordnete eine Wiederholung an, weil es einen »aggressiven russischen hybriden Angriff« gegeben habe. Die Entscheidung basierte auf Berichten des rumänischen Geheimdiensts, denen zufolge unter anderem 25.000 Georgescu freundlich gesinnte Konten in den sozialen Medien existierten, die erst zwei Wochen vor der Wahl aktiv geworden waren. Auch sollen Nutzer für die Unterstützung der Kandidatur Georgescus bezahlt worden sein. Allerdings sind die staatlicherseits vorgelegten Belege für eine Wahlmanipulation bisher dünn.
Die Wiederholungswahl ist für den 4. Mai angesetzt. Johannis ließ nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts wissen, er werde im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gewählt sei. Das hatte in der Opposition für heftigen und anhaltenden Unmut gesorgt – einen Unmut, dem er sich nun beugen musste.
Bei den kurz nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl, am 1. Dezember 2024, abgehaltenen Parlamentswahlen bewiesen die rechtsextremen Parteien ihre Mobilisierungsfähigkeit. Sie haben trotz oder gerade wegen einer für rumänische Verhältnisse hohen Wahlbeteiligung von 52 Prozent – der mit Abstand höchsten seit 2004 – gut 32 Prozent der Stimmen erhalten.
»Gestohlene Wahl« und antisemitische Erzählungen
Die beiden bislang stärksten Parteien, die PNL und die Partidul Social Democrat (PSD) – welche inhaltlich mit ihrem Namen nicht mehr viel gemein hat –, verzeichneten hingegen im Vergleich zur vorigen Wahl deutliche Verluste: Die PSD bleibt stärkste Kraft, kommt aber nur noch auf 22 Prozent (minus sieben Prozentpunkte); die PSL rutscht mit 13,2 Prozent (minus zwölf Punkte) auf den dritten Platz. Es reichte aber noch, um zusammen mit der Demokratischen Union der Ungarn in Rumänien (UDMR), die 6,3 Prozent erhielt, und den Abgeordneten nationaler Minderheiten eine neue proeuropäische Regierungskoalition zu bilden.
Die erstarkten Rechten, allen voran Georgescu und seine Unterstützer, betreiben eine Kampagne gegen die Regierung, in der sie diese als eine korrupte und machtgierige »politische Elite« darstellen, die keinen Rückhalt in der Bevölkerung besäße. Die Wahlannullierung bezeichnen sie als »gestohlene Wahl«. Dabei bedienen sie sich antisemitischer Erzählungen, wie der von einer vermeintlichen Unterstützung der etablierten Parteien durch den US-amerikanischen Investor George Soros.
Wöchentlich, eine Zeitlang sogar fast täglich, wurde in rumänischen Städten gegen die Annullierung des für Georgescu siegreichen Wahlgangs, aber auch allgemein gegen die »politische Elite« demonstriert. Manchmal kamen nur ein paar hundert Personen, doch Mitte Januar waren es bei einer Demonstration in der Hauptstadt Bukarest nach offiziellen Angaben 20.000 Menschen.
Druck der Straße
Es dürfte auch dieser Druck der Straße sein, der die Annäherung der konservativ-liberalen USR an die Rechten bei dem gegen Johannis angestrebten Amtsenthebungsverfahren beförderte. Die USR-Vorsitzende Elena Lasconi, die als Georgescus Herausforderin in die Stichwahl gegangen wäre, hatte bereits unmittelbar nach der Annullierung der Wahl ähnliche Töne wie Georgescu angeschlagen. Sie sprach von einer Zerstörung der Demokratie und von politisch Verantwortlichen, die das Land in die Anarchie führen würden.
Dass Lasconi kein Problem damit hat, sich und ihre Partei extrem rechten Kräften anzudienen und deren antisemitische Verschwörungstheorie zu übernehmen, zeigte sie auch in einem offenen Brief, den sie nach der Annullierung der Präsidentschaftswahl an Donald Trump schrieb; Elon Musk war in CC gesetzt. In dem Schreiben beteuerte sie, keine »Soros-Kandidatin« zu sein. Sie biederte sich Trump mit den Worten an: »Sie sind ein wirklicher Führer des Volkes, genau wie ich.«
Was folgt nun aus Johannis’ Rücktritt? Nicht viel. Seine Nachfolge als Interimspräsident bis zur Wahl eines neuen Präsidenten hat verfassungsgemäß der bisherige Senatspräsident Ilie Bolojan angetreten. Ob dies auf die für den 4. Mai angesetzte Präsidentschaftswahl größeren Einfluss hat, kann bezweifelt werden. In allen Umfragen führt Georgescu.