27.02.2025
Marshall Allen, Neneh Cherry, Alexander Winkelmann und »Sing Sing«

Im Himmel wie auf Erden

Popkolumne. Der Altsaxophonist Marshall Allen debütiert mit seinem Soloalbum, Neneh Cherry ist Gästin, Alexander Winkelmann macht reduzierten Kammerpop und der Gefängnisfilm »Sing Sing« ist sehenswert.

Musik hält jung! Das gilt jedenfalls für den US-amerikanischen Altsaxophonisten Marshall Allen, der kürzlich beim Kölner Label Weekend Records sein erstes Solo-Album veröffentlichte. Der Debütant ist nach Jahren gezählt 100! Allen ist bislang vor allem als Leader der afrofuturistischen Big-Band-Formation Sun Ra Arkestra bekannt, das er seit dem Tod ihres visionären Gründers Sun Ra im Jahr 1993 leitet.

Für den Titeltrack »New Dawn« des späten Solodebüt-Albums ist es dem Produzenten Jan Lankisch sogar gelungen, Neneh Cherry als Gastsängerin zu gewinnen. Die HipHop- und Jazzsängerin ist die Stieftochter des 1995 gestorbenen visionären Jazztrompeters Don Cherry. Die musikalische Sippschaft Sun Ras sendet himmlische Grüße an den Blues-Planeten Erde, auf dem es manchmal himmelschreiend ungerecht, dann aber auch wieder äußerst faszinierend zugeht.

Die Schwerverbrecher im Gefängnisfilm »Sing Sing« müssen sich ihrer Wut, ihrem Schmerz und ihrer Verletzlichkeit stellen.

So wie in dem sehenswerten Gefängnisfilm »Sing Sing«, der auf einer wahren Geschichte beruht: John »Divine G« Whitfield sitzt zu Unrecht wegen Mordes im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis Sing Sing ein. Um nicht zu verzweifeln und Kraft für seine Entlastungsanhörungen zu schöpfen, hat John das »Rehabilitation Through the Arts Program« (RTA) mitgegründet. John und seine Mithäftlinge, von denen sich manche im Film eindrucksvoll selbst verkörpern, führen gemeinsam Theaterstücke auf. Doch dafür müssen die Schwerverbrecher sich ihrer Wut, ihrem Schmerz und ihrer Verletzlichkeit stellen.

»Wir sind hier, um wieder Menschen zu werden«, erklärt Divine G deshalb seinem Mitgefangenen Divine Eye. Der ist neu zu der Theatertruppe hinzugestoßen und will seine Gangsterallüren zunächst nicht ablegen. Jede Minute des Films fühlt man mit diesen Männern mit, die die transformative Kraft der Kunst verkörpern und – inzwischen wieder auf freiem Fuß – mutig eine neue Seite im Buch ihres Lebens aufgeschlagen haben.

»Es ist nicht so kompliziert, ein Menschlein stirbt. Davor, danach, passiert nicht viel, gibt kein’ Sinn und auch kein Ziel«, singt der Berliner Musiker Alexander Winkelmann auf seinem dritten Studio-Album »Stark reduziert«. Eine Art reduzierter Kammerpop zwischen Mark Hollis, Andreas Dorau und Kai Althoff. Hörenswert!